Das "Schachtelprivileg" ist gar kein Privileg. Es sollte nur eine Mehrfachbesteuerung verhindern. Dies geschieht nicht immer.

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Nachdem der VwGH die steuerliche Behandlung von Auslandsbeteiligungen als diskriminierend abgelehnt hat, ist die Frage nun beim EU-Gerichtshof gelandet. Die Widersprüche sollte der Gesetzgeber beseitigen.

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Beteiligt sich eine Kapitalgesellschaft an einer anderen, so kann sie zwei Arten von Erträgen erzielen: Sie kann Dividenden erhalten oder einen Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung ziehen. Wie diese Erträge besteuert werden sollen, wird derzeit insbesondere bei Auslandsbeteiligungen diskutiert. Aber auch bei Inlandsbeteiligungen ist das derzeitige System widersprüchlich.

In Literatur, Gesetzgebung und Rechtsprechung besteht einigermaßen Konsens darüber, dass ein und derselbe Ertrag nicht mehrmals der Körperschaftsteuer unterliegen sollte. Versteuert eine Tochtergesellschaft also einen Gewinn, so soll die Gewinnausschüttung bei der Mutter kein weiteres Mal versteuert werden müssen.

Aus diesem Grund normierte der Gesetzgeber bereits vor vielen Jahren das sogenannte "Schachtelprivileg" , das eigentlich kein "Privileg" darstellt, sondern nur der Umsetzung dieses Prinzips der Einmalbesteuerung dient. Vereinfacht gesagt bedeutet es, dass Beteiligungserträge - also Erträge aus der Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft - bei einer Kapitalgesellschaft steuerbefreit sind.

Zwei problematische Ausnahmen stechen dem Rechtsanwender jedoch ins Auge: Zunächst sind Erträge aus dem Verkauf einer Inlandsbeteiligung im Gegensatz zu Erträgen aus der Veräußerung einer Auslandsbeteiligung nicht steuerbefreit. Der Gewinn, den eine österreichische Kapitalgesellschaft aus der Veräußerung einer inländischen Beteiligung erzielt, ist voll steuerpflichtig.

Damit begünstigt der Gesetzgeber seit Jahrzehnten Investitionen in ausländische Unternehmen. Unternehmen in Österreich haben sich an diesen seltsamen Zustand schon so gewöhnt, dass es offenbar niemanden mehr aufregt.

Ein weiteres Problem hat der Verwaltungsgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung aufgegriffen (VwGH 2008/15/0064 vom 17.4.2008): Dividenden aus ausländischen Gesellschaften sind anders als Dividenden aus inländischen Gesellschaften nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur dann steuerbefreit, wenn die Beteiligung mindestens zehn Prozent beträgt. Dies benachteiligt etwa eine Kapitalgesellschaft, die einen Anteilsschein an einem Aktienfonds erwirbt. Soweit die Gewinne ausländische Dividendenerträge enthalten, werden diese voll besteuert ("Portfoliodividenden" ).

Es kommt also zu einer doppelten Besteuerung: Zunächst zahlt die ausländische Kapitalgesellschaft an ihrem Standort Körperschaftsteuer. Wird der versteuerte Ertrag ausgeschüttet, so wird die österreichische Kapitalgesellschaft in Österreich nochmals besteuert.
Beide Staaten schneiden sich eine Scheibe vom Kuchen ab. Wird der Gewinn in Österreich dann endlich an eine natürliche Person ausgeschüttet, wird er in der Regel ein drittes Mal besteuert.

Verstoß gegen Grundfreiheiten

Der VwGH erkannte, dass dies gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Die Investition in eine Kapitalgesellschaft, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig ist, wird gegenüber einem Investment in eine österreichische Gesellschaft benachteiligt. Die EU-Grundfreiheiten verbieten das.

Interessanterweise meinte der VwGH jedoch nicht, dass die Auslandsdividenden deshalb steuerfrei sein müssten. Er entschied, dass die Körperschaftsteuer, die im Ausland bereits bezahlt wurde, stattdessen nur auf die österreichische Körperschaftsteuer anzurechnen sei. In der Praxis bedeutet dies weiterhin eine Benachteiligung: Häufig wird es nämlich gar nicht möglich sein, festzustellen, wie hoch die Körperschaftsteuerbelastung im Ausland war. Eine Anrechnung wäre dann viel zu aufwändig.

Vorabentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat deshalb Ende September dem Europäischen Gerichtshof Vorabentscheidungsfragen vorgelegt, mit denen er die Entscheidung des VwGH erneut in Frage stellt (UFSRV/0611-L/05). Der EuGH soll entscheiden, ob die Anrechnungsmethode gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, und ob Portfoliodividenden anderen Beteiligungserträgen gleichzustellen sind.

Offen ist außerdem, wie Erträge aus Beteiligungen in Drittstaaten (also Nicht-EU-Mitgliedsländern) zu behandeln sind. Grundsätzlich verbietet die EU-Kapitalverkehrsfreiheit auch Beschränkungen des Kapitalverkehrs mit Drittstaaten. Die Kapitalverkehrsfreiheit hat aber wohl nicht zum Ziel, Dividendenerträge aus "Steueroasen" von der Körperschaftsteuer zu befreien.

Der Gesetzgeber trifft zur Sicherung des Körperschaftsteueraufkommens umfangreiche Vorkehrungen. Neben diesem verständlichen Ziel sollte ihm allerdings auch die grundsätzliche Gleichstellung von In- und Auslandsinvestments in der EU und somit die Logik der Besteuerung ein Anliegen sein. Dies erfordert eine gesetzliche Neuregelung.(Benjamin Twardosz, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.10.2008)