Die wichtigsten Zutaten in Rudi Stanzls Arbeit sind seit mehr als 25 Jahren Schwarz, Weiß, Senkrechte und Horizontale.

Foto: Ulysses

"NGBW-VIE-1HB/LG" oder "NGBW-VIE-7VB/B" heißen sie. Keine mathematische Formeln, sondern Bilder. Gemälde, die einer Ordnung folgen, einem Code gehorchen. Und noch während man diesen zu entschlüsseln sucht - NGBW für Ningbo, VIE für Wien - verlieren sich die Augen irgendwo zwischen Tusche, Acryl, Papier und Leinwand.
Die wichtigsten Zutaten in Rudi Stanzls Arbeit sind seit mehr als 25 Jahren Schwarz, Weiß, Senkrechte und Horizontale. Reduzierte und klare Mittel für kalkulierte Kompositionen mit grundlegenden Aussagen.

"Wie die ideale Formel in der Mathematik. Sie muss relativ einfach sein, elegant, erst dann ist es wirklich ein großer Wurf" , beschreibt Stanzl die Faszination, die die Variation des Einfachen birgt. Es ist "nur" ein Papier, das sich wie eine Membran oder ein geädertes Pflanzenblatt über der Leinwand spannt. Reispapier oder Papier aus chinesischen Schulheften hat er in Ningbo mit Acrylfarbe aufgebracht. Zwei breite Bögen ziehen senkrechte Bahnen zwischen drei schmalen, vibrierend grauen Acrylstreifen. Nur Papier. Und doch tanzt für den Bruchteil einer Sekunde zwischen silbrigen Fensterrahmen ein Schneetreiben. Ein Blinzeln, und die schmalen, dunklen Horizontalen in den jüngsten Chinabildern springen vor und zurück wie Stäbe. Nur Tusche, Papier, Acryl und Leinwand. Nur. Nur hinschauen: Strukturen, die die Geometrie aufbrechen.

Auf seiner faserigen Oberfläche addieren sich weiße und schwarze Lasuren zu hunderten Grautönen - mittags andere als im Dämmerlicht: "Painted Black" . Matte Flächen gegen glänzendes Acryl. Und dazwischen Atmosphäre, angedeutet in kleinen gestischen Akzenten. Ein Hinschauen, dass unter den Fingerspitzen kribbeln und die Augen flimmern macht. (kafe / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.10.2008)