Es war 1993, als die junge Assistenzärztin Monika Hauser Medienberichte über die Massenvergewaltigungen an Frauen in Bosnien las. "Damals", sagt die Gynäkologin, "ist etwas in mir aufgebrochen und ich bin aufgebrochen." Weil es keine konkrete Hilfe für die traumatisierten Frauen gab, wurde sie initiativ. 1994 gründete Hauser die Hilfsorganisation medica mondiale, baute in der Stadt Zenica ein Therapiezentrum auf, in dem bis heute etwa 60.000 Frauen medizinische und psychologische Hilfe bei der Bewältigung ihrer Kriegserfahrungen gefunden haben.

Für dieses Engagement erhält Monika Hauser nun den Right Livelihood Award, den alternativen Nobelpreis. Die vom deutsch-schwedischen Publizisten Jakob von Uexküll gestiftete Auszeichnung wird jährlich für Friedens-, Umwelt- und soziale Projekte vergeben. Medica mondiale ist längst nicht nur in Bosnien, sondern auch in vielen Krisenregionen Afrikas und in Afghanistan aktiv.

Hausers erste Reaktionen auf die Preisverleihung: Neben der großen Genugtuung habe "der Preis auch zwiespältige Gefühle ausgelöst", sagte sie. Denn zu groß sei die Kluft zwischen Sonntagsreden bei Preisverleihungen und dem Desinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Alltagselend vergewaltigter Frauen in Kriegsländern. "Vielleicht wird man uns jetzt wieder mehr zuhören", sagt sie.

Denn dieses offene Ohr braucht Hauser nicht zuletzt vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Dort sind die Gräuel, die alle - sogar die Betroffenen selbst - am liebsten verdrängen würden, Thema.

Sexualisierte Kriegsgewalt findet auch dort statt, wo man sie nicht vermutet, etwa, wenn deutsche Soldaten in Krisengebieten Zwangsprostituierte aufsuchen. Hauser spricht es an. "Man muss schon eine hohe Frustrationsgrenze haben, wenn man mit einem feministischen Ansatz arbeitet", sagt sie. Als man ihr 1996 das Bundesverdienstkreuz verleihen wollte, lehnte sie ab, aus Protest gegen den Beschluss des deutschen Innenministeriums, bosnische Flüchtlinge in ihre Heimat zurückzubringen.

Ihre Kämpfernatur liegt in der Familie. 1959 als Tochter Südtiroler Eltern geboren, die vor dem italienischen Faschismus geflüchtet waren, wuchs sie als Gastarbeiterkind in der Schweiz auf. Bis heute hat sie einen italienischen Pass. Hauser studierte in Innsbruck Medizin und lebt seit 25 Jahren in Deutschland. Die Mutter eines zwölfjährigen Sohnes lenkt medica mondiale heute von Köln aus. (Karin Pollack/DER STANDARD, Printausgabe, 2.10.2008)