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Die Europäische Zentralbank will das Vertrauen unter den Banken wiederherstellen. Dieses wird aber von jeder Spekulation um die Finanzkrise und drohende Pleiten erneut erschüttert. Der Geldmarkt muss weiter gestützt werden.

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Wien - Das Misstrauen der Banken untereinander wächst mit jeder neuen Nachricht zu Problemen am Finanzmarkt. Geld borgen einander die Institute untereinander daher kaum noch. Die Lehman-Pleite sei der Dammbruch gewesen, der diesen Misstrauensschub ausgelöst habe, erklärt ein Wiener Banker. Solange das Vertrauen nicht wiederhergestellt ist, müssen die Zentralbanken das Finanzsystem am Leben erhalten.

Die Lage am Geldmarkt hat sich am Mittwoch nur wenig entspannt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Banken im Euro-Raum am Mittwoch rund 35,5 Mrd. Euro für einen Tag zur Verfügung gestellt; am Dienstag waren es noch 21 Mrd. Euro gewesen. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet versprach den Banken auch weiterhin ausreichend Liquidität: "Ich möchte betonen, dass die EZB den Zugang solventer Banken zu Liquidität sowie das Funktionieren des Geldmarkts so lange unterstützen wird, wie dies nötig ist."

Zu einer raschen Zinssenkung dürfte es nicht kommen: Trotz vielfacher Forderungen, vor allem aus Frankreich, zeigte Trichet vor der EZB-Zinssitzung am Donnerstag keine Neigung dazu. Er betonte die Gefahr der nach wie vor hohen Inflation im Euro-Raum. Die Teuerung spreche gegen eine Senkung der Zinsen.

Geld wird gehortet

In Österreich bekommen die Banken von einander derzeit - wenn überhaupt - auch nur so genanntes Taggeld, das noch dazu um die 4,75 Prozent kostet statt wie vor der Krise um die zwei oder 2,5 Prozent. "Das ist teuer, aber man zahlt, weil man nicht weiß, was übermorgen geschieht" erklärt ein Manager. Die gesamte Liquidität, die die einzelnen Banken derzeit haben, liegt auf deren Konten bei der Oesterreichischen Nationalbank, die ungefähr 3,25 Prozent dafür zahlt. Nicht einmal das Faktum, an der Differenz verdienen zu können, bringt die Institute dazu, den anderen ihr Geld zu geben, "man will gar nicht verdienen, Hauptsache, man hat selbst Geld", so ein Treasurer.

Händlern zufolge will die EZB die Banken dazu bringen, einander wieder Geld zu leihen. "Es mangelt aber weiter an Vertrauen", weiß ein Händler. "Bestimmte Adressen bekommen gar kein Geld, andere nicht genug, und andere schwimmen in Liquidität."

Tatsächlich nehmen Europas Banken seit Tagen auch "Spitzenrefinanzierungsfazilität" - eine Art Über-Nacht-Notkredit bei der EZB - wesentlich stärker als sonst in Anspruch. Am Dienstagabend stieg das Volumen auf fast 16 (Vortag 15,5) Mrd. Euro.

Aber auch längerfristigen Termingelder wurden teurer. Der Ein-Wochen-Euribor-Satz stieg auf ein Sieben-Jahres-Hoch von 4,846 (Vortag 4,839) Prozent. Der als Benchmark für viele Geldanlagen auch von privaten Bankkunden geltende Drei-Monats-Euribor kletterte zeitweise auf 5,291 (zuvor 5,277) Prozent und notierte damit so hoch wie seit Ende 1994 nicht mehr (siehe Grafik).

Die Spekulationen, dass die Banken weltweit vor weiteren massiven Abschreibungen stehen, treiben auch die Aufschläge (Spreads) für Anleihen nach oben. Von Banken begebene Anleihen kosteten laut einem Merrill-Lynch-Index um rund 370 Basispunkte mehr als europäische Staatsanleihen. Das sind 159 Basispunkte mehr als der Aufschlag für Unternehmensanleihen - und damit die größte Differenz, seit Merrill den Index berechnet. (Renate Graber, Bettina Pfluger,  DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.10.2008)