Die vielen Rollen der Eva Glawischnig: Beim Kipferlausteilen für staugeplagte Lastwagenfahrer (1999) ...

Foto: Standard/Andy Urban
Foto: APA/GERT EGGENBERGER

... bei der Hochzeit mit ihrem Gatten, Sportreporter Volker Piesczek, anno 2005 ...

Foto: GERT EGGENBERGER
Foto: Standard/Christian Fischer

... und beim Wahlkampffinale vor einer Woche mit Langzeitparteichef Alexander Van der Bellen.

Wien - Im Prinzip ist Eva Glawischnig die ideale Kandidatin - eine für politische Verhältnisse junge Frau, dennoch erfahren. Modern wirkt sie, nicht radikal, aber auch nicht grau. In Sachfragen ist die 39-Jährige sattelfest, und, ja, sie sieht auch gut aus. Selbst Entertainerqualitäten beweist die Grüne: Am Wahlabend munterte sie ihr Publikum am Klavier auf.

Glawischnig gilt als logische Nachfolgerin des grünen Langzeitchefs Alexander Van der Bellen, der mittelfristig abtreten wird - und ist trotzdem nicht unumstritten. Was prädestiniert sie für die Spitze? Was spricht gegen sie?

Grün ist die Kärntnerin nicht erst seit ihrem Parteieintritt. Vom nationalen Mief in Seeboden am Millstätter See nabelt sich die Wirtshaustochter schnell ab. Als Keyboarderin einer Austropop-Band erlangt Glawischnig lokale Berühmtheit, ehe sie eine andere Berufung entdeckt: Umweltschutz. Für Global 2000 belagert die Juristin die geplante Ennstal Schnellstraße, die Wiener Grünen rekrutieren sie als Nachwuchstalent. Im zweiten Anlauf akzeptieren sie schließlich auch die kritischen Basisfunktionäre. 1999 schafft es die Newcomerin ins Parlament, 2002 ist sie grüne Nummer zwei, 2006 dritte Nationalratspräsidentin.

Glawischnig wird populär, für grüne Geschmäcker fast zu populär. Sie produziert Schlagzeilen in Blättern, wo die Ökos bislang kaum vorkamen - allerdings nicht nur auf den Politikseiten. News fotografiert sie schwanger vor dem Babymodengeschäft, die Krone bringt sie auf Seite 1 im Hochzeitskleid - "bauchfrei", wie sich Kommentatoren ergötzen. Oder empören.

"Eva Adabei" nannte sie die linke Wiener Stadtzeitung Falter, über die "Gucci"-Grüne höhnt der rechte Heinz-Christian Strache. Funktionäre tuscheln über die "abgehobene" Vizechefin, und auch auf der Straße, berichten grüne WahlkämpferInnen, höre man Kritik: "Politik ist keine Modeschau."

Ärgerliche Klischees

Glawischnig reagiert darauf gereizt: "Diese Klischees haben mit meiner Lebensrealität nichts zu tun." Ob es Frauen in Spitzenpositionen in der Politik schwerer als Männer haben? "Der Grat, was man alles nicht machen darf, ist viel schmäler", glaubt die Grüne. Sie sei seit "bald vier Jahren" verheiratet, habe einen Sohn und dann kämen solche "Society-Vorwürfe": "Man könnte es doch gut finden, dass es berufstätige Mütter in die Spitzenpolitik schaffen." Immer wieder "verwundert" die Politikerin das von ihr in den Medien verbreitete Bild: "Etwa, dass ich glatt oder leidenschaftslos wirke. Wer mich kennt, weiß, dass ich das Gegenteil bin."

Grüne SympathisantInnen sind halt sensibel. Society-Storys würden nicht zu einer Bewegung mit Widerstandstradition passen, meint Dietmar Ecker, Experte für Polit-PR. Überhaupt hätten die Grünen in den vergangenen Jahren "ihr Profil verwässert". Glawischnig sei an sich eine gute Kandidatin, nur: "Eine Neuausrichtung passiert nicht nur durch einen Personalwechsel. Glawischnig allein würde den Eindruck der Entpolitisierung eher noch verstärken."

Über die Nachfolgefrage will die Favoritin selbst nicht reden. Lieber spricht sie darüber, wie man die nach der Wahl angeschlagene Partei wieder flottkriegt: "Wir stellen uns auf die Opposition ein." Der sogenannten Kenia-Koalition aus Rot, Schwarz und Grün gibt sie wenig Chancen, denn: "SPÖ und ÖVP sind mit sich selbst beschäftigt."

Eine Mehrheit hätte sie bei den Grünen wohl hinter sich, auch mangels Alternativen. Selbst der linke Wiener Martin Margulies, der noch an jedem Parteichef etwas auszusetzen hatte, lobt sie als "kompetent" und sagt: "Meine Stimme hätte sie." Ihr werde viel verziehen, meint ein anderer Grüner, weil sie versuche, "nach allen Seiten offen zu sein". Gewählt würde sie deshalb werden - "hart wird es erst danach". Ein Dritter warnt: "Egal ob Glawischnig oder sonst wer. Gibt es keine Reform der Partei, wird es jeden Chef zerreißen." (Gerald John, Peter Mayr/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.10. 2008)