"Die Daten und Fakten beweisen, dass die Zeit, in der Wolfgang Schüssel regierte, eine hervorragende war. Er wurde aber immer als böser Drahtzieher abgestempelt."

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"Es wäre kurios, wenn die Menschen eine rechte Mehrheit wählen, und dann wird ein Sozialdemokrat Bundeskanzler", sagt Günter Stummvoll, Budgetsprecher der ÖVP, im Interview mit derStandard.at. Trotzdem will er sich für eine mögliche Koalition mit ÖVP-Beteiligung alles offen halten, sagte er zu Rosa Winkler-Hermaden. Kritik übt er am Wahlkampf der ÖVP, der "zu wenig brutal" gewesen sei.

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derStandard.at: War es nach dem schlechten Wahlergebnis für Sie klar, dass Vizekanzler Molterer zurücktreten wird müssen?

Stummvoll: Ich habe ein Direktmandat im Waldviertel, die Basis dort hat das gefordert. Ob ich das persönlich auch so sehe, spielt da keine Rolle mehr.

derStandard.at: War es gut, dass der Wechsel so schnell von sich gegangen ist?

Stummvoll: Ja, das war gescheit. Denn ein langes hin und her hätte nichts gebracht. Dass nun Josef Pröll Parteichef wird, war klar. Er war schon Molterers Stellvertreter und hat die Perspektivengruppe geleitet.

derStandard.at: Was muss Pröll jetzt anders machen als Molterer, damit die ÖVP in Zukunft wieder mehr Stimmen bekommt?

Stummvoll: Mag sein, dass ich das zu einfach sehe, aber ich glaube, wir machen gute Politik, aber schlechte Wahlkämpfe. Denn wenn man sich in den Jahren 2006 und 2008 die Umfragen von vor dem jeweiligen Wahlkampf anschaut, sind wir immer vorne gelegen. Wir haben dann aber trotzdem die Wahlen verloren. Wir können nicht Wahlkämpfen - das muss sich ändern. Vielleicht sind wir zu vornehm, zu wenig brutal. Die SPÖ scheut vor nichts zurück - sie montiert sogar den eigenen Bundeskanzler ab.

derStandard.at: Viele sagen, die Ära Schüssel ist nun vorbei. Wird er als Klubchef zurücktreten müssen?

Stummvoll: Müssen tut er es auf keinen Fall. Ober es macht, weiß ich nicht. Die Daten und Fakten beweisen jedenfalls, dass die Zeit, in der Wolfgang Schüssel regierte, eine hervorragende war. Er wurde aber immer als böser Drahtzieher abgestempelt.

derStandard.at: Welche Koalition mit der ÖVP könnte es geben?

Stummvoll: Da ist noch alles offen. Was mich an der SPÖ stört ist, dass man sich nicht auf ihr Wort verlassen kann. Beim Parlamentstag letzte Woche waren sie sehr gehässig. Sie haben mit FPÖ und BZÖ Beschlüsse gefasst und jetzt nach der Wahl stellen sie die beiden Parteien plötzlich als böse Neofaschisten dar. Da stößt mir auf.

Man muss Grundsatzfragen klären - mit der SPÖ genauso wie mit FPÖ oder BZÖ. Wie sieht es aus in der EU-Frage? Da ist die SPÖ-Barriere momentan nicht zu überspringen. Kurios wäre es außerdem, wenn die Menschen eine rechte Mehrheit wählen, und dann wird ein Sozialdemokrat Bundeskanzler.

derStandard.at: Das heißt sie schließen niemanden aus?

Stummvoll: Jeder kann klüger werden. Der Strache ist noch ein junger Mann. (derStandard.at, 29.9.2008)