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Ein französischer Soldat bewacht einen Frachter im Golf von Aden. Ständige militärische Eskorten für zivile Schiffe sind im Jagdgebiet der Seeräuber aber kaum zu organisieren.

Foto: AP/Prinsloo

Schutzmaßnahmen sind schwierig.

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Mogadischu/Victoria - Dem beiläufigen Beobachter fallen die Schiffe zunächst nicht auf. Erst beim näheren Blick wird klar, dass die 25 bis 30 Boote, die knapp außerhalb des Hafens von Victoria, der Hauptstadt der Seychellen, ankern, hier nicht hingehören. In einer langen Reihe dümpeln die mittelgroßen Fischerboote aus verschiedenen Ländern in dem tropischen Gewässer. Und warten auf ein Kriegsschiff, das sie vor Seeräubern beschützen soll.

"Zwei der Boote wurden vor Somalia attackiert, worauf sich ein Konvoi gebildet hat, der hierher geflüchtet ist" , erklärt Frederic Vidal, Hotelmanager in der Inselrepublik. Nun, Ende September, warten die Fischer auf die französische Marine, die sie eskortieren soll. Nicht immer gelingt die Flucht. Vidal weiß von zwei Fällen, bei denen Schiffe, die auch Vorräte für sein Luxushotel geladen hatten, gekapert und Besatzungsmitglieder ermordet worden seien.

Die Situation in den Gewässern am Horn von Afrika und im Golf von Aden gerät völlig außer Kontrolle. Die Entführung eines ukrainischen Frachters mit 30, angeblich für den Sudan bestimmten Panzern an Bord ist nur die jüngste Attacke. "Ein kritischer Punkt ist erreicht" , konstatiert die Abteilung für Wirtschaftskriminalität der Internationalen Handelskammer (ICC-CCS). An die 40 Boote wurden auf der von 20.000 Schiffen jährlich genutzten Route heuer bereits gekapert, alleine zwischen 15. und 21. September bekamen die Täter 91 Menschen in ihre Gewalt. Erfolglose Angriffe sind noch weit häufiger.

1200 Seeräuber, sechs Banden

"Angriffe der Piraten ereignen sich nicht mehr wöchentlich oder täglich, sondern mittlerweile bis zu dreimal pro Stunde" , berichtet die ICC. Rund 1200 Somalier sollen in die Freibeuterei involviert sein, glaubt die Organisation, sechs große Gruppen kontrollieren das "Geschäft" . Haupteinnahmequelle: das Lösegeld für die Schiffe und die Besatzungen. "Nach unserem Wissensstand wird das Geld mittlerweile nur mehr in bar an Bord der Schiffe übergeben" , erzählt Cyrus Mody, ICC-Pressesprecher dem Standard.

Beim Kapern werden alle Mittel eingesetzt. Meist kommen die Seeräuber in Schnellbooten, ihre Bewaffnung reicht von einfachen Messern über Pistolen bis hin zu Maschinengewehren und Panzerbüchsen, mit denen raketengetriebene Granaten verschossen werden. Über ihre genaue Vorgehensweise wissen die Experten dennoch wenig. Es wird auch vermutet, dass größere und langsame "Mutterschiffe" kleinere Boote weit vor die Küste bringen, wo die Besatzung der wendigen Boote dann auf Beute lauern. Fischerboote werden ebenso angegriffen wie Yachten, Öltanker ebenso wie kleinere Frachtschiffe. Wehren können sich die zivilen Schiffe kaum, manche werden aber kreativ - und spritzen die Piraten mit Feuerwehrschläuchen zurück ins Meer.

Schutz soll die "Combined Task Force 150" (CTF-150)bringen. Die wurde im Zuge des "Krieges gegen den Terror" gegründet, nicht nur Nato-Staaten haben Schiffe für Sicherungsaufgaben abgestellt. Die Arbeit ist aber eher schwierig, gesteht Stephanie Murdock, Pressesprecherin bei der Fünften US-Flotte, dem Standard ein.

Fast hoffnungslose Aufgabe

"Wir müssen die Region vom Golf von Oman über das Arabische Meer bis zur Küste Kenias abdecken. Das sind über 6,2 Millionen Quadratkilometer (zum Vergleich: Europa ist gut 10 Millionen Quadratmeter groß, Anm.) Fläche." Die Zahl der dafür derzeit abgestellten Kriegsschiffe: "sechs bis acht". Trotz des scheinbar hoffnungslosen Unterfangens scheinen die Schiffe gut postiert. "Im vergangenen Monat konnten zwölf Angriffe abgewehrt werden", rekapituliert Murdock.

Dann schildert sie, wie hartnäckig die Piraten selbst im Angesicht von Militärmacht sind. "Erst am 23. September wurde die ,John Lenthall‘ angegriffen." Und die ist immerhin ein Transportschiff der US-Marine. "Wir haben die Abwehrmaßnahmen graduell gesteigert, aber erst nach Warnschüssen haben die kleinen Boote abgedreht und sind verschwunden."

Eskorten für zivile Frachtschiffe kann CTF-150 kaum bieten, die Staaten sind daher mittlerweile angehalten, eigene, zusätzliche, Einheiten zu entsenden. Die Internationale Handelskammer empfiehlt ihren Mitgliedern darüber hinaus, die Schiffe technisch zu sichern. Beispielsweise mit einem elektrischen Zaun um das Schiff, der mit 9000 Volt geladen ist. Der Stromschock sei nicht tödlich, verspricht der Anbieter "Secure Marine", verhindere aber garantiert ein Entern. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 30.9.2008)