Das Fazit vorweg: Die Dinger sind sinnvoll. Darum sind die Hersteller von Mobiltelefonen auch mächtig stolz, dass ihre mit GPS-Navigationstools aufgemotzten Geräte bei Hobbysportlern so heißbegehrt sind: Schließlich kann ein Gerät, das den Weg zum Ziel weist, auch den Weg als Ziel verstehen - also aufzeichnen, was sich unterwegs abspielt: Wie schnell bin ich wo? Wie viel Energie verbrenne ich dabei? Und - das vor allem - wie kann ich der Welt zeigen, was ich da geleistet habe?

Die Antwort auf diese Fragen findet sich mittlerweile in etlichen Mobiltelefonen und heißt "Sporttracker": kleine Programme, die per Satellitenortung all das messen, was Sportler gerne wissen - und die diese Daten danach (oder manchmal sogar live) im Web auf Landkarten legen. Mit Beweisfotos und mit präzisen Geo-Daten. Eine feine Sache.

Im Bild:

Polar RS800CX Multi

Die Neuversion des Spitzenmodels RS800 bietet Routenverfolgung auf Google Earth. 499,95 Euro

+ Trainingseinheiten lassen sich verknüpfen

- klobiger GPS-Sensor

Foto: Hersteller

Aber zu den schönen Dingen beim Hightech gehört immer auch die Möglichkeit, damit groben Unfug zu treiben. Etwa wenn man am Ende einer Mahlzeit auf dem Sporthandy neben dem Teller sieht, dass man gerade 16.000 Kalorien verbrannt hat: Diesen Wert berechnet das auf "Laufen" eingestellte Fitness-Handy, während es im Speisewagen auf der Strecke Wien-Graz Kilometer zählt.

Doch auch Stillstand zählt: Nach fünf Stunden am Schreibtisch hat das Ge- rät 23 Kilometer "zurückgelegt". Durchschnittstempo: 5,4 km/h; Highspeed: 27 km/h. Wirklich Eindruck schindet man aber anders, zeigt ein Blick in die online gestellten Ergebnisse anderer Sportler: Ein Wiener schaffte es demnach (mit dem Rad) auf der Südautobahn, 648 km/h zu erreichen. Und zwar - laut Karte - im Baustellenbereich.

Im Bild:

Nokia Sports Tracker

Umfangreiches Gratis-Software-Konzept

+ ausgeklügelt, mit vielen Geräten kompatibel

- "Beta"-Version: einige Kinderkrankheiten

Foto: Hersteller

Konfrontiert man die Hersteller von GPS-basierten Sport-Tracker-Systemen mit solchen Geschichten, fällt ihr Lächeln säuerlich aus. Verständlich. Schließlich funktionieren die Sport-Programme mittlerweile wirklich gut - und am Tracker-Unfug im Speisewagen ist nicht der Handyhersteller schuld. Genauso liegen GPS-Messungenauigkeiten, die sich am Schreibtisch im Stillstand zu wilden Bewegungsprotokollen addieren oder kurzzeitig absurde Momentangeschwindigkeiten ergeben, nicht am Endgerät: Die Satellitenortung ist unter anderem ungenau, weil die das System betreibende US-Regierung anderen militärische Nutzung nicht ermöglichen will. Da jedes Gerät die eigene Position ständig neu berechnet, werden diese Ungenauigkeiten wieselflink addiert. In Bewegung und über größere Strecken berechnet, stimmen die Werte aber recht exakt.

Im Bild:

Sony Ericsson C702

Kompaktes Lauf-Navi-Handy. Ausführliche Analysen am Gerät und online. 399 Euro

+ robust, spritzwasserfest

- im Sportmodus keine Tastensperre, Akku

Foto: Hersteller

Dass die Geräte bei Topspeedangaben keine Plausibilitätskontrolle durchführen, fällt unter Kinderkrankheiten. Denn die Handy-Systeme sind teils noch Bug-anfällig: Akkus, die nach drei Stunden erschöpft sind, oder Geräte, die im Wald nach Verbindungsverlusten von sich aus keine neue Verbindung zum Satelliten mehr herstellen, können den Spaß merklich trüben. Darum verweist etwa Martin Giesswein von Nokia stets darauf, dass "wir uns am Anfang einer Reise befinden. Wir sind noch im Beta-Test-Stadium."

Im Bild:

Garmin Forerunner 405

Laufuhr mit "Bring-mich-wieder-heim"-Funktion. 379 Euro

+ leistungsstarker GPS-Empfänger im Uhrband

- maximal acht Stunden Akkulaufzeit

Foto: Hersteller

Der Zuspruch, den die Systeme dennoch genießen, zeigt aber, dass hier ein Nerv getroffen wurde - und das, obwohl alle Sport-GPS-Handys auf jenes Feature verzichten, das Sportmediziner Sportlern ans Herz legen: Pulsmesser.

Daran, erklärt Elisabeth Mayrhofer-Grünbühel, Sprecherin von Sony Ericsson Austria, wird sich so bald nichts ändern: "Bis dato haben wir kein Handy mit Pulsmesser angekündigt. Die Entscheidung hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von der Praktikabilität, dem Bedienkomfort und den Ansprüchen der Zielgruppe."

Im Bild:

Samsung miCoach

Klopft man aufs Handy, "referiert" es Tempo, Puls und Distanz. 369 Euro

+ Pulsmesser

- auch große Schritte werden oft als Klopfen interpretiert

Foto: Hersteller

Machbar wäre das sportmedizinisch sinnvolle Sport-und-Musik-Gerät mit Navigation schon: Der Navi-Spezialist Garmin setzt seit langem bei Pulsuhren auf Satellitentechnologie - und hat mit dem "Forerunner 405" ein Gerät am Markt, das in Sachen GPS- und Web-Features Handys nicht nachsteht. Auch Polar, die seit Jahren weltweit tonangebende Marke in der Welt der Puls- und Sportcomputer, greift über die Sterne ins Web. Nur-Läufern empfiehlt man zwar weiterhin analoge Schuhsensoren (auch, weil diese Details wie Schrittfrequenz und Schrittlänge messen). Aber, erklärt Produktmanager Jan Müller, "die Leute wollen GPS. Der Trend geht eindeutig in diese Richtung - auch, weil das Multi-Sportlern entgegenkommt."

Liegt der Verzicht auf den Pulsmesser im Handy also daran, dass Herzschlag, MP3 und Telefon nicht in ein Gehäuse passen? Nein, wie Samsung im Frühjahr zeigte: Gemeinsam mit Adidas brachte man das (analoge) "miCoach"-System auf den Markt. Derzeit tüftelt man an einer Neuauflage. Mit GPS. Die Frage, wieso in lifestyligen Geräten nicht auch "wichtige" Werte gemessen werden, ist nicht neu: Vor zwei Jahren launchte Nike das iPod-kompatible System "Nike+", ein analoges Tempo- und Streckenmesssystem mit Web-Community. Obwohl Nike bei weniger schicken Systemen ans Herz denkt, verzichtet man hier darauf: Auch das im Sommer präsentierte "Sportband" misst keinen Puls.

Im Bild:

"Nike+"-Sportband

Schrittzähler. Misst Distanz, Zeit und Tempo. Laufdaten sind via iPod "hörbar". 59,95 Euro

+ einfache Handhabung

- kein Pulsmesser, wenig Analysepotenzial

Foto: Hersteller

Nachvollziehbar, sagt Roman Daucher, ist das nicht ganz. Auch wenn der Fitnesstrainer und Gründer des Trainerportals Euro fitnessacademy.at davor warnt, sich "zur Geisel des Pulsmessers" zu machen", sei es "nicht sinnlos, im richtigen Pulsbereich zu trainieren. Schon einfache Pulsuhren ermitteln die zur Tagesform passenden Grenzwerte präzise."

Optimal trainiert, wer diese Werte vom Arzt ermitteln lässt. Schließlich, weiß die Sportärztin und Ironman-Absolventin Silke Böcskör, beginnen "die meisten zu schnell und zu intensiv zu trainieren. Schwarz auf weiß zu sehen, was gut ist, bringt viel. Nur die Geschwindigkeit vor Augen zu haben verleitet zum Übertreiben." Dem schließt sich auch Personal-Trainer Daucher an: "Ideal wäre eine Pulsuhr am Handgelenk - und der Tracker bleibt in der Tasche. Erst zu Hause schaut man dann, wo man wie schnell war. Aber das ist wohl illusorisch."

Im Bild:

Puma Cardiac Heart

Basisgerät: Misst den Puls und warnt bei Grenzwerten. 89 Euro

+ Stylisher als die meisten Pulsuhren

- Design kostet: Diese Performance gibt es günstiger

(Thomas Rottenberg / DER STANDARD RONDO, 26.09.2008)

Foto: Hersteller