Wien - Als Wilhelm Molterer am 7. Juli die Koalition aufkündigte, hatte der ÖVP-Chef beste Karten: Seit Jahresanfang lag die Volkspartei in den Umfragen konstant vorne, die krisengeschüttelte SPÖ stand vor einem weiteren Absturz. Wäre sofort gewählt worden, ein ÖVP-Sieg wäre sich glatt ausgegangen. Doch dann kam der Wahlkampf und das Rennen wurde wieder spannend: Während sich die SPÖ im August stabilisierte und mit dem "Fünf-Punkte-Programm" von Parteichef Werner Faymann noch zulegte, stürzte die ÖVP ab und Molterer muss nun zittern, ob es am Sonntag für Platz Eins wirklich "reicht".

Start mit Vorsprung

Ein klares Umfragehoch hatte die SPÖ nur unmittelbar nach dem unerwarteten Wahlsieg vom Oktober 2006 gehabt: Sowohl OGM (für "profil") als auch das Gallup-Institut (für "Österreich") sahen die Kanzlerpartei zum Jahreswechsel 2006/07 um die 40 Prozent. Nach Angelobung der Großen Koalition (Stichwort: gebrochene Wahlversprechen) rutschte die SPÖ aber wieder ab, lieferte sich das ganze Jahr 2007 über ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der ÖVP und fiel Ende 2008 schließlich hinter ihren Koalitionspartner zurück.

Die ÖVP startete daher mit einem ordentlichen Vorsprung ins Jahr 2008, lag im Jänner bei bis zu 37 Prozent und in der market-Umfrage (für "News") sogar fünf Prozentpunkte vor der SPÖ. Obwohl die anhaltenden Koalitions-Konflikte auch der ÖVP schadeten, blieb sie doch konstant vorne - daran konnten weder die rote Forderung nach vorgezogener Steuerreform und "Gusi 100er" im Februar, noch der Ende März erklärte "Osterfriede" etwas ändern, schon gar nicht die immer lautere Ablösedebatte über den SP-Chef. Als Gusenbauer im Juni Werner Faymann zum geschäftsführenden Parteichef machte und der gemeinsamen "EU-Brief" an die "Krone" verfasst wurde, war die SPÖ in ersten Umfragen bereits auf unter 30 Prozent gefallen.

Roter Absturz

Mitten in den roten Absturz hinein verkündete ÖVP-Chef Molterer dann am 7. Juli das Ende der Koalition und vorgezogene Neuwahlen. Die Ausgangslage schien vielversprechend, lag die Volkspartei Anfang Juli doch bis zu fünf Prozentpunkte vor den Sozialdemokraten, die bis Mitte August noch auf bis zu 25 Prozent (Gallup) abrutschten.

Doch nun beschleunigte sich auch bei der ÖVP der Abwärtstrend und die Volkspartei pendelte sich im Verlauf des August bei 26 Prozent ein, während die rote Konkurrenz wieder Tritt fasste: SP-Chef Faymann kündigte am 25. August das Stillhalteabkommen mit der ÖVP auf, um sein "Fünf-Punkte-Programm" gegen die Teuerung auf den Weg zu bringen und konnte damit wieder am Noch-Koalitionspartner vorbeiziehen. Im September sahen die Umfragen die SPÖ bei 28 bis 29 Prozent und damit knapp vor der ÖVP, die zwischen 25 bis 27 Prozent pendelte.

Angesichts der für beide Großparteien immer noch erschreckend niedrigen Umfragewerte wird am Sonntag aber wohl entscheidend, wer weniger verliert, und nicht, wer mehr gewinnt: 2006 lag die SPÖ noch bei 35, die ÖVP bei 34 Prozent.

FPÖ sicher auf Platz Drei

Während das Rennen um Platz eins am Sonntag noch spannend wird, scheint das Duell um Platz drei entschieden: Die FPÖ ist bereits im Vorjahr an den Grünen vorbeigezogen und liegt bereits seit Monaten konstant voran. Während die Öko-Partei in den Umfragen zuletzt schwächelte und von einem Zwischenhoch von bis zu 16 Prozent im Juli auf zehn bis zwölf Prozent abgebaut hat, liegen die Blauen in den letzten verfügbaren Umfragen bei 17 bis 19 Prozent.

Im Aufwind befindet sich auch das BZÖ, dessen Existenzängste ausgestanden scheinen: Musste das orange Bündnis unter dem wegen falscher Zeugenaussage (nicht rechtskräftig) verurteilten Peter Westenthaler noch um den Wiedereinzug ins Parlament zittern, scheint seit dem Antreten von Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider als Spitzenkandidat auch eine Verdoppelung der Stimmenanteile möglich. Zuletzt sagten die Umfragen dem BZÖ bis zu acht Prozent voraus.

Praktisch keine Dynamik zeigen die letzten Umfragen für das Liberale Forum: OGM und Gallup sehen die Kleinstpartei bei vier Prozent und damit knapp im Parlament, market konstant bei drei Prozent und damit draußen. Nicht absehbar ist, wie sich der Rücktritt von Parteichef Alexander Zach nach Lobbying-Vorwürfen für EADS auswirkt. Der Liste Dinkhauser prophezeien die Umfragen nach einem starken Start im Juli ein schwaches Ergebnis: Der Tiroler liegt bei allen drei Instituten unter der Vier-Prozent-Hürde. (APA)