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Das vermeintliches goldenes Fenster öffnete sich, als die Firma mit einem internationalen Unternehmen fusioniert wurde. Denn "ihr" altes Buchungssystem wurde übernommen und parallel weitergeführt - ein System, mit dem sich kaum jemand auskannte

Foto: AP/ MCIHAEL PROBST

Eine Buchhalterin lebte auf großem Fuß – jetzt steht sie vor Gericht, weil sie einen Millionenbetrug gestand – Von Roman David-Freihs

Wien – Sandra H. war im österreichischen Jetset unterwegs, präsentierte sich als betuchte Erbin, verkehrte mit Skistars – bis die Quelle ihrer Einkünfte aufflog und sie ein "überschießendes Geständnis ablegte", wie es Staatsanwalt Volkert Sackmann formuliert.

"Überschießend", weil Sandra H. (35) aussagte, sie habe über Jahre hinweg ein Computerunternehmen um insgesamt rund zwölf Millionen Euro geschädigt. Nach umfangreichen Nachforschungen konnte man firmenintern bis jetzt allerdings nur einen Schaden von 7,9 Millionen nachvollziehen, was im Wiener Landesgericht den beisitzenden Richter Peter Liebetreu doch verwundert: "Das hab ich ja noch nie erlebt, dass ein Angeklagter sagt, er hat nicht nur vier, sondern acht Kilo Heroin gedealt."

Goldenes Buchungsfenster

Eine Metapher. Denn Sandra H. "dealte" nicht mit Drogen – sondern mit Computern. Als Buchhalterin. Ihr vermeintliches goldenes Fenster öffnete sich, als ihre Firma mit einem internationalen Unternehmen fusioniert wurde. Denn "ihr" altes Buchungssystem wurde übernommen und parallel weitergeführt – ein System, mit dem sich kaum jemand auskannte.

Niemand bemerkte etwas

Da habe sie ein damaliger Kollege auf eine Idee gebracht, sagt Sandra H.: Sie könne doch billige PCs für den firmeninternen Gebrauch bestellen – und dann mit Gewinn bei Onlineauktionen verkaufen. Sie versuchte es, bestellte Hardware und gab dafür Gutschriftbuchungen ins System ein. Und siehe da: Niemand bemerkte, dass da etwas nicht stimmte.

Sandra H. machte weiter – doch irgendwann wurden ihr die Web-Geschäfte zu heiß, und sie begann, die "Firmenhardware" über Zwischenhändler zu veräußern.

Vorgesetzter machte mit

Die "Geschäfte" zogen immer weitere Kreise. Sie habe mit ihrem Vorgesetzten eine Liebesbeziehung gehabt, sagt die Angeklagte. Als der draufkam, was lief, soll er sie angehalten haben, auch für ihn Verkäufe zu tätigen. Man habe für eine gemeinsame Zukunft sparen wollen, "weit weg von Österreich", sagt Staatsanwalt Sackmann.

Schließlich fiel es im Unternehmen doch auf, dass es immer noch sehr viele "rote Buchungen" – so nannte man jene Einträge nach dem alten System – gab. Ein Mitarbeiter sollte das überprüfen – doch Sandra H.s mutmaßlich Geliebter soll zu ihr gesagt haben: "Die billige Hure" werde man schon kaufen. Der Prüfer soll für sein Schweigen eine billige Wohnung bekommen haben sowie eine Reise zur Fußball-EM in Portugal und Unterstützung für seine Freundin, die eine Gesangskarriere anstrebte.

Empörte, wütende Blicke

Die Mitangeklagten bestreiten die Vorwürfe von Sandra H. vehement – sie hätten von diesen Vorgängen nichts gewusst. Ihr ehemaliger Vorgesetzter leugnet auch, jemals mit ihr intim gewesen zu sein – Sandra H. dreht sich abrupt zu ihm, doch der verheiratete Mann ignoriert stoisch ihre empörten, wütenden Blicke.

Nur der Sachbearbeiter einer Vertragsfirma gibt zu, dass er bei Sandra H. auch Waren für sich bestellt hat und so das Unternehmen um rund 40.000 Euro schädigte. Er hat das Geld inzwischen zurückgezahlt und wurde am Mittwoch zu sechs Monaten bedingt verurteilt.

Für alle anderen wird vertagt. Richterin Irene Mann ist optimistisch, dass sie mit zehn Verhandlungstagen auskommt. (DER STANDARD Printausgabe 25.9.2008)