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Taro Aso nach seiner Wahl zum neuen Premier im Unterhaus: "Offener und fairer Kampf" gegen die Opposition.

Foto: Kimura/Getty Images

Japans seit 1955 fast ununterbrochen regierenden Liberaldemokraten droht der Machtverlust. Der neue Premier Taro Aso soll unter anderem mit der jüngsten Ministerin aller Zeiten neue Wähler gewinnen.

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Taro Aso wurde am Mittwoch vom politisch entscheidenden Unterhaus gegen die Stimmen des von der Opposition dominierten Oberhauses zum neuen Regierungschef Japans gewählt. Der 68-jährige Ex-Außenminister - der erste Katholik im Amt des Premiers - ersetzt damit Yasuo Fukuda, der nach weniger als einem Jahr im Amt wegen Unpopularität zurückgetreten ist.

Schon in seiner ersten Amtshandlung unterstrich Aso seine besondere Mission: Er soll ein Konjunkturprogramm verabschieden, dann sofort Unterhausneuwahlen für Ende Oktober oder Anfang November ausrufen und diese für seine unbeliebte Liberaldemokratische Partei (LDP) gewinnen. "Wir werden einen offenen und fairen Kampf liefern" , sagte Aso bei der Vorstellung des Kabinetts.

Schon mit der Ministerriege demonstrierte er, dass die LDP sich den Wählern inmitten der weltweiten Finanzkrise als Ruhepol empfehlen will. Er behielt Wirtschaftsminister Kaoru Yosano, der in den parteiinternen Wahlen gegen ihn angetreten war, und vier weitere Minister im Amt. Gleichzeitig legte er das Finanzministerium und das Ministerium für das Finanzwesen unter seinem Weggefährten Shoichi Nakagawa zusammen, um Entschlossenheit im Kampf gegen die Finanzkrise zu zeigen.

Neben Aso sind drei weitere Kabinettsmitglieder Kinder, Enkel oder Neffen bekannter Ministerpräsidenten. Die Tochter des verstorbenen Premiers Keizo Obuchi, Yuko Obuchi, darf als Ministerin für die sinkende Geburtenrate (oder zugespitzt als "Geburtensteigerungsministerin" ) als einziges buntes Einsprengsel Aufgeschlossenheit gegenüber Jungwählern demonstrieren. Sie ist mit 34 Jahren Japans jüngstes Regierungsmitglied seit dem Zweiten Weltkrieg.

Der LDP, die seit ihrer Gründung im Jahr 1955 bis auf zehn Monate Anfang der 1990er-Jahre das Land ununterbrochen regiert hat, droht der Verlust der Macht. Nach einer Umfrage der Tageszeitung Asahi lag die Unterstützung für die LDP Anfang September mit 27 Prozent vier Prozentpunkte hinter der der oppositionellen Demokraten. Die Demokraten wittern daher die besten Siegeschancen seit langem. "Der entscheidende Moment ist gekommen" , sagte Parteichef Ichiro Ozawa bei seiner Wiederwahl am Sonntag.

Um die LDP und ihre neoliberale Wirtschaftspolitik bloßzustellen, gibt sich Ozawa als Hüter sozialer Gerechtigkeit. Über die kommenden vier Jahre will er den Sozialstaat um 22.000 Milliarden Yen (142 Mrd. Euro) ausbauen. Finanziert werden soll das durch "eine drastische Veränderung" der Staatsausgaben. Damit will Ozawa sein eigentliches Ziel erreichen: die Zerschlagung der großen Macht der Zentralministerien, die bisher anstelle der Politiker und Parteien die Entscheidungsprozesse dominieren. (Martin Koelling aus Tokio/DER STANDARD, Printausgabe, 25.9.2008)