Der erste Plutonium-Reaktor in Khushab, Pakistan, zwei weitere sind in Bau.

Foto: DigitalGlobe-ISIS

Als die Inspektoren der IAEO (Internationale Atomenergiebehörde) nach dem Golfkrieg 1991 damit begannen, das geheime irakische Atomprogramm aufzurollen, mussten sie noch um Satellitenbilder von verdächtigen irakischen Anlagen betteln, bei den wenigen Ländern, die diese Technologie damals besaßen. Tempi passati. Heute ist es höchstens noch eine Frage der Qualität, aber der Blick auf Omas Häuschen aus dem All ist theoretisch in jedermanns Reichweite. Spannender ist es jedoch noch immer, Atomanlagen zu beäugen - wie es das kleine Institute for Science and International Security (ISIS) in Washington gerne tut.

Diesmal war wieder einmal der Atomwaffenstaat Pakistan dran. Aus einer vom kommerziellen Anbieter DigitalGlobe geschossenen Reihe von Bildern schließt ISIS, dass Pakistan kurz vor der Fertigstellung seines zweiten plutoniumproduzierenden Reaktors in Khushab steht, wo sich ja schon einer befindet. Ein dritter ist in Bau, dem kann man in die Eingeweide - auf den Kessel - schauen, das Dach des Reaktorgebäudes fehlt noch.

Es gibt eine von ISIS, das bereits 2006 über den zweiten Reaktor berichtete, losgetretene Kontroverse darüber, ob Khushab 2 und Khushab 3 wesentlich leistungsstärker sein werden als Khushab 1. ISIS schloss aus der 2006 gesichteten Kesselgröße von Khushab 2, dass da ein 1000-Megawatt-Reaktor im Entstehen war. Aber selbst wenn es, wie andere sagen, nur 100 MW sind, werden die beiden neuen Reaktoren jährlich genug Plutonium für acht bis zehn Bomben produzieren, wenn sie einmal in Betrieb sind. Khushab 1, ein 50-MW-Schwerwasserreaktor, bringt es gerade einmal auf Material für zwei bis drei Bomben pro Jahr.

Und nein, Vorrichtungen, die darauf schließen lassen würden, dass in Khushab doch Strom produziert werden soll, sieht man auf den Satellitenbildern keine. Nicht dass es davon - Elektrizität - genug geben würde in Pakistan, dem Land der permanenten Stromausfälle. Die Strompreise wurden übrigens jetzt angehoben, als Einladung zum Sparen.

Aber zurück zur Plutoniumproduktion. ISIS und andere Anti-Proliferation-NGOs fordern nun die US-Regierung auf, die Sache eines "Fissile Material Cut-off Treaty" (FMTC) voranzutreiben, also eines Vertrags, der die unkontrollierte Produktion von spaltbarem Material stoppen soll. Und zwar eines FMTC, der die Verifizierung der Vertragseinhaltung vorsieht - wovon die Administration von George W. Bush, in einem Abgehen von der traditionellen US-Politik, zuletzt Abstand genommen hat. Gerade Pakistan und Indien würden jedoch so einen Vertrag wohl nie unterschreiben, wenn sie nicht sicher sein könnten, dass der jeweils andere kontrolliert wird.

Apropos Indien und US-Politikwechsel: Dass Washington jetzt mit einem Atomwaffensperrvertragsverweigerer, der Atombomben besitzt, nuklear kooperieren will, ist ja der größte politische Tabubruch überhaupt, auch wenn die Inder versichern, alle Non-Proliferation-Regeln einhalten zu wollen. Auch da liefert ISIS eine nette Fußnote:

Das Indian Department of Atomic Energy (DAE) hat zugegeben, dass es im Laufe des Prozesses zur Beschaffung von Gaszentrifugen (zur Urananreicherung) sensible Design-Information veröffentlicht hat. DAE hat Zeichnungen und Herstellungsanleitungen von Zentrifugenteilen in - um zehn Dollar zu erstehende - Ausschreibungspapiere für Firmen gestellt. Damit allein könne aber niemand etwas anfangen, sagen die Inder. Da sind wir ja völlig beruhigt. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 24.9.2008)