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Wilhelm Molterer muss vor allem vor seinen eigenen Anhängern bestehen - Kanzler kann er nur werden, wenn ihn potenzielle ÖVP-Wähler in dieser Rolle sehen und diese beim Zusehen keine Enttäuschung erleben.

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Alexander Van der Bellen gibt sich diesmal aggressiver als sonst. Sein Image als bedächtiger Diskutant mit einer gepflegten Umgangssprache habe darunter aber nicht gelitten, sagt die Stimmanalystin Amon.

 

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Angriff ist sein Metier: Heinz-Christian Strache gab wie immer den Paradeoppositionellen, wenn auch eher schaumgebremst. Die FPÖ fischt nach neuen Wählergruppen, da sind zu radikale Töne nicht gefragt.

 

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Er spielte den Elder Statesman auf Kärntner Niveau: Jörg Haider will sich mit dialektgefärbten Auftritten seinen lokalen Wählern vor allem als Landesvater präsentieren - und setzt auf Gelassenheit statt Provokation.

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"Die sonnige Grundnote" sei Werner Faymanns "großes Plus" . Seine "warme, weiche, mittelhohe Stimme" wirke "unverbraucht" . Allerdings komme der SPÖ-Kandidat in der Konfrontation mitunter "belehrend" rüber, beim Atmen sei ein "dezentes Schnappen" zu hören. Und dann steche noch sein "nasales, gequetschtes ,A‘" ins Ohr. Wilhelm Molterers Stimme hingegen klinge tiefer, ein lupenreiner Bariton, "klar, rund und fest" . Der ÖVP-Chef falle durch "dynamische Tempowechsel" auf, sehr selten seien jedoch "Begeisterung und Elan" zu hören. "Auflockerungsübungen" könnten Molterers Organ zu mehr Melodik verhelfen.


Die Sprechtrainerin Ingrid Amon, die die Stimmanalyse durchführte, ist nicht die einzige Expertin, die dieser Tage an den Lippen der Politiker hängt. Heerscharen an Politologen,Mediencoaches und Spin-Doktoren zerpflücken die TV-Duelle der Kandidaten bis ins letzte Detail, während sich vor den Fernsehschirmen hunderttausende Seher die scheinbar entscheidende Frage stellen: Wer hat gewonnen? "Das ist eigentlich eine wertlose Frage" , betätigt sich der Politologe Peter Filzmaier - er sitzt selbst regelmäßig als Analytiker im ORF-Studio - als Spielverderber. Nur weil ein Wähler einen Bewerber besser gefunden habe, werde er ihn nicht zwangsläufig wählen - und wenn doch, dann sei das oft schon vor dem TV-Duell festgestanden. Der Wahl- und Meinungsforscher Peter Ulram verweist darauf, dass die Anhänger der jeweiligen Duellanten in der Zuschauerschaft überrepräsentiert wären: "Wer entschlossen ist, Grün zu wählen, wird nicht unbedingt den Dienstagabend beim Kanzlerduell verbringen. Und auch wenn es derzeit mehr Unentschlossene gibt als bei früheren Wahlen: An eine Motivation der Nichtwähler durch ein Fernsehduell glaube ich nicht."


Dass ein Kandidat mit einem furiosen Auftritt anderen Parteien direkt Wähler abspenstig machen könne, sei die Ausnahme, meint auch Filzmaier: "Man kann zwar unentschlossene Wähler erreichen. Vor allem geht es aber um die Mobilisierung der eigenen Anhänger." Weshalb Politiker im Fernsehen gerne gezielt aneinander vorbeireden. Überhaupt hält Filzmaier die Bedeutung der TV-Debatten für "etwas überschätzt" . Von früheren Wahlen wisse man, dass ein Drittel der Leute diese medialen Events als wichtig für die eigene Wahl einschätzt. Gespräche im persönlichen Umfeld seien demnach eine wichtigere Entscheidungshilfe.

Auf die Medien angewiesen

Dennoch gibt es Gründe, warum die Fernsehauftritte diesmal mehr Gewicht haben als früher: Die Wahlen kamen eher unerwartet, weshalb die schlecht vorbereiteten Parteien stärker auf die Medien angewiesen sind. Und mit ATV+ und Puls 4 veranstalteten auch die Privatsender ernstzunehmende Diskussionsrunden (siehe Quoten), die viele Seher unter 30 erreichen, die früher nicht zugeschaut hätten. Geschwänzt hat dabei nur SP-Chef Faymann - weil er sich beim ORF einschmeicheln wolle, mutmaßen seine Gegner.

In Deutschland kann sich das kein Kandidat mehr leisten: Die Macht der Privatsender ist so groß, dass niemand wagt, ihr Angebot abzulehnen. 2002, als sich Gerhard Schröder gegen Edmund Stoiber (CSU) der Wiederwahl stellte, gab es zwei Duelle: Eines wurde auf RTL und Sat 1 gleichzeitig übertragen, das zweite auf ARD und ZDF.  Drei Jahre später, bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005, wollte sich Herausforderin Angela Merkel nur einmal mit Schröder vor laufenden Kameras treffen. Die Sender fanden eine salomonische Lösung: Es gab für das 90-Minuten-Gespräch gleich vier Fragesteller, zwei "öffentlich-rechtliche" , zwei "private" . Der Gesprächskultur tat das nicht unbedingt gut, weil sich jeder Moderator natürlich besonders profilieren wollte. Dennoch waren die Duelle Quotenhits.

Eine entscheidende Frage für die Bedeutung von Fernsehduellen ist ihr Neuigkeitswert. In der Kreisky-Ära stieg die Bedeutung des Fernsehens als politische Entscheidungshilfe vorübergehend auf 62Prozent - eben auch weil Kreisky hohen Unterhaltungs- und Neuigkeitswert bot. Bei der Konfrontation am Dienstag sei es daher um eine zweifache taktische Positionierung gegangen, meint Wahlforscher Ulram: "Gelingt es, ein neues Thema, etwa die Wirtschaft, auf die Agenda zu setzen? Und: Werden die Erwartungen der eigenen Anhänger nicht enttäuscht?"
Die Demotivation der eigenen Anhängerschaft wird auch von Filzmaier als das größte Risiko eingeschätzt - ein Kandidat könne in der Duellsituation mehr verlieren als gewinnen. Wobei die anschließende Kommentierung in anderen Medien den Effekt noch verstärkt.

Gute Stimmung auf dem Küniglberg versuchte am Dienstag vorab die Junge ÖVP zu verbreiten - mit aufgemalten Herzen und begeisterten "Willi, Willi" -Rufen. (Birgit Baumann, Gerald John, Conrad Seidl/DER STANDARD-Printausgabe, 24. September 2008)