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Bernhard Felderer, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), kann einem Konjunkturpaket etwas abgewinnen, sollte sich die Finanzkrise verschärfen.

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Wien - Sollte die US-Finanzkrise stärker als bis jetzt auf die europäische Wirtschaft durchschlagen, plädieren heimische Ökonomen durchaus für Konjunkturpakete. "Ich glaube nicht, dass man kurzfristig etwas beschließen kann", sagt etwa Bernhard Felderer, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) im Gespräch mit dem STANDARD am Montag, einen Tag vor dem "Konjunkturgipfel", den ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein unter Ausschluss der SPÖ-Regierungsmannschaft, aber mit den Sozialpartnern und Wirtschaftsforschern für Dienstag angesetzt hat. "Man kann aber Strategien vorbereiten, falls es zu einem Einbruch kommt, weil die Zentralbanken und der amerikanische Staat nicht in der Lage sind, die Sache zu beherrschen", so Felderer weiter.

Karl Aiginger, Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), stößt prinzipiell ins gleiche Horn: Er hielte ein Vorziehen von Entlastungsmaßnahmen für untere Einkommensgruppen sowie von Investitionen in Forschung und Bildung für sinnvoll, sollte sich die Krise verschärfen. Er nennt zugleich aber Voraussetzungen: Die Budgetstabilität müsse gewahrt werden, und es sollte sich um einen Teil eines Gesamtkonzepts handeln. Derzeit werde eher nach dem "Zustandekommen von Zufallsmehrheiten agiert", kritisiert Aiginger. Nachsatz: "13. Familienbeihilfe und Verlängerung der Hacklerregelung sind noch kein Konzept, sondern nur die Summe eines Gezänks."

Felderer betont in Sachen angeblich konjunkturwirksamer Versprechungen im Wahlkampf, dass "im Moment die Konjunktur nicht so am Boden ist, dass wir das alles brauchen". Die US-Finanzkrise habe bisher lediglich indirekt die europäische Konjunkturlage beeinflusst, "weil der Dollar so hinuntergeprügelt worden ist. Das hat uns bei den Investitionen etwas geschadet. Aber dass etwa das Kreditvolumen zurückgegangen wäre, davon kann keine Rede sein", sagt der IHS-Chef.

Riesenbrocken

Felderer hat in der Vorwoche den Nationalratsabgeordneten in seiner Funktion als Leiter des Staatsschuldenausschusses einen Brief geschrieben und vor unbedachten Ausgaben, die im Zuge des Wahlkampfs beschlossen werden könnten, gewarnt: "2009 wie 2010 ist nicht mit Überschüssen des gesamtstaatlichen Budgets zu rechnen. Sowohl die Maßnahmen, die im Wahlkampf versprochen werden, wie auch eine Steuerreform müssten in Summe über den Kapitalmarkt finanziert werden. Das heißt, wir haben einen Riesenbrocken an Verschuldung, wenn man kein Sparpaket vorsieht", sagte er am Montag.

"Aber", gibt sich der IHS-Chef (für ihn untypisch) keynesianisch, "wenn es wirklich ernst wird, wird niemand den Staat zur Zurückhaltung auffordern." Die Pleiten von Lehman Brothers, die Quasi-Verstaatlichung der Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac und vor allem die Schieflage der weltgrößten Versicherung, AIG, habe die Situation "viel ernster" gemacht. "Wir haben vor drei Monaten auch gehofft, dass sich das langsam entspannt. Dass aber nun weitere Dominosteine umfallen, ist nicht auszuschließen." Mit milliardenschweren Rettungsaktionen könnten die USA angesichts des hohen Budgetdefizits "nicht unendlich weitermachen". (Leo Szemeliker Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 23.9.2008)