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1932 wird in New York Lew Theremins Tanzinstrument "Terpsiton" vorgestellt.

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Das "Rhythmikon" sollte 1931 Schlagzeuger ersetzen.

Hainburg - Technische Entwicklung geht oft Hand in Hand mit politischem Repräsentationswillen. Nachdem 1921 der russische Physiker Lew Termen in Moskau sein von ihm entwickeltes "Theremin" einem begeisterten Lenin präsentiert hatte, wurde er fleißig in die Propaganda eingespannt.

Das wie eine singende Säge klingende, erste rein elektronische Instrument der Weltgeschichte war als Abfallprodukt einer geplanten auf dem Bewegungsmelderprinzip beruhenden Alarmanlage nicht nur sensationellerweise von jeglichem zwangsweisen Körperkontakt befreit. Da dieses Gerät auf dem Überlagerungsprinzip beruht, konnten in seinem Spannungsbogen allein mit Hand- und Körperbewegungen Töne generiert und moduliert werden. In einer vom Publikum gestürmten Pariser Oper wurde dieses damals revolutionäre Instrument 1927 als beispielgebend für die "Elektrifizierung" der sowjetischen Gesellschaft propagiert.

Warum das Theremin schließlich kein kommerzieller Erfolg wurde, hatte unter anderem mit dem Börsenkrach 1929 zu tun. Und wohl auch damit, dass man lange Zeit in der Entwicklung elektronischer Instrumente und Musik immer nur versuchte, neuartige technische Entwicklungen mit überkommenen musikalischen und ästhetischen Systemen zu koppeln.

Sprich: Die Klänge des Theremins waren für die Interpretation klassischer Musik nicht geeignet. Mozart und Bach auf einer singenden Säge, zu wenig exakt, zu unberechenbar, zu läppisch vom damals eher als Geräusch denn Wohlklang empfundenen Sound her. Der erinnert immer wieder auch an die Vertonungen späterer polnischer Zeichentrickklassiker wie Lolek & Boleks Reise zum Mond. Da Geräte wie das Theremin vorzugsweise von freizeitforschenden Physikern entwickelt wurden, erreichten sie in einer damals in traditionellen Skalen und Metren denkenden, streng hierarchischen Notationssystemen verpflichteten Musikwelt weit vor heutigem Techno und Ambient nie mehr als einen kurzen Sensationswert. Schabernack aus der Steckdose.

Zu Besuch bei Dr. Mabuse

In der nun von Medienarchäologin und Elektronikmusikerin Elisabeth Schimana in der Kulturfabrik Hainburg kuratierten Ausstellung Zauberhafte Klangmaschinen werden nicht nur längst vergessene oder mittlerweile von der technischen Entwicklung überholte elektronische Pioniertaten wie das Theremin vorgestellt - oder eine ebenfalls von Lew Theremin 1931 entworfene, auf optischen Reflexen beruhende Rhythmusmaschine namens "Rhythmikon" präsentiert. Gezeigt werden in dieser verdienstvollen und ein wenig an das nostalgisch fortschrittsgläubig wie bedrohlich inszenierte Labor von Dr. Mabuse erinnernden Schau auch weiterführende Instrumente wie das "Terpsiton" , eine Weiterentwicklung des Theremins, das 1930 Tänzer und ihre Bewegungen in kaum regulierbare Musik umwandeln wollte. Eine Vorstufe heutiger Karaoke-Maschinen wie "Dance Dance Revolution", die vor allem durch ihre historische Unschuld überzeugt.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt ertönt in der Hainburger Kulturfabrik ein quäkendes Lied aus uralten Zeiten wissenschaftlicher und künstlerischer Förderungspraxis, das oft kaum lauter durch die elektronischen Betriebsgeräusche der Klangmaschinen dringt als die Musik selbst: Eventueller Fortschritt bedingt finanzielle Mittel.

Zwar durfte ein Forscher wie Wolfgang von Kempelen dank der huldvollen Zuwendungen von Kaiserin Maria Theresia 1791 noch an einer mechanischen "Sprechmaschine" arbeiten. Diese sollte mittels Blasebalg, Hebeln, Ventilen und formbarem Trichter gehörlosen Menschen (erfolglos) als Sprech-Transmitter dienen.

Wie das in Hainburg gezeigte Ausstellungsmaterial, das von Elisabeth Schimana verdienstvoll aus russischen wie französischen, deutschen und österreichischen Kellerdepots diverser Museen ausgegraben wurde, beweist, führte aber gerade auch heimischer Forschergeist vorerst in die Irre. Um dann Jahrzehnte später, unterbrochen vom Krieg und der Nachfrage nach tödlicheren Maschinen, auf anderen Kontinenten wieder aufgegriffen zu werden. Von heimischen Forschern entwickelte elektronische Instrumente im Graubereich Einbaumöbel, Klavier und Elektronikbausatz wie das "Superpiano" (Emerich Spielmann, 1929) oder die legendäre, zimmergroße Vorstufe zum Moog-Synthesizer des 1980 verstorbenen Visionärs Max Brand aus Langenzersdorf zeugen davon.

Die Schau, angeordnet als sich kreuzende Sinuswelle, kündet bis herauf zum Heute neben Ingenieurskunst aus der DDR und neben einer Parallelpräsentation historischer Tonaufnahme- und Übertragungsgeräte oder dem Siegeszug des Sampling auch davon: Fortschritt bedeutet kürzere Halbwertzeiten. Ein ebenfalls ausgestellter "Fairlight" -Synthesizer, der 1980 mit damals 1,5 Millionen US-Dollar Kaufpreis eher sehr unförmig im Wohnzimmer von Stevie Wonder herumstand, wirkt dank verrauchter Plastikhülle schäbiger als ein 1933 in Berlin entworfenes "Volkstrautonium" in edlem Holzgehäuse. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 23.09.2008)