Die unbedarften Burgunden wärmen sich die Ohren mit flauschigen Pelzmützen, wenn sie zum Kampf antreten.

Foto: Bühnen Graz

Graz - König Gunther ist ein harmoniesüchtiger Waschlappen, seine Gattin Brunhild eine männerfressende und trotzdem unsympathische Blondine, die mit ihrem weißen Pelzmantel heutzutage öfter von Tierschützern als von freienden Adeligen belästigte werden würde. Kriemhild und Siegfried wären eigentlich ein richtig nettes Paar: treu, aufrichtig, harmlos, aber zu gutgläubig für die Welt.

Das Grazer Schauspielhaus eröffnete am Samstag die Saison mit einem Stück, das "Nibelungen Reloaded" heißen könnte. Denn in der Regie von Cornelia Crombholz blieben weite Teile von Friedrich Hebbels "Die Nibelungen" in der Garderobe. Allerdings erst, nachdem man sich sorgfältig mit dem Nationalepos für Gymnasiasten auseinandersetzte, es vom Heldenpathos rein schrubbte und eine schöne Abrechnung mit Stolz, Rache und Liebe daraus machte.

Dabei bilden Gunther (Sebastian Reiß) und seine Brüder Giselher (Claudius Körber) und Gernot (Franz Josef Strohmeier) sowie sein beinharter Berater Hagen Tronje (Dominik Warta) ein amüsantes Herrenquartett. Die Charaktere werden von den vier Schauspielern wie beiläufig entblößt.

Es wird auch gekämpft, wo Hebbel den Kampf wegließ: Wenn der starke Siegfried mit den ungeschickten Burgunder-Boys loszieht, um Brunhild, die Sophie Hottinger böse spuckend gibt, zu erobern, wartet ein brutaler Paarungstanz auf sie. Ein Kampf der Geschlechter in einer Folge "Universum" von Quentin Tarantino.

Der dreistündige Abend lebt aber nicht nur von Gags, Textstrichen und dazugedichteten Passagen. Die Königinnen streiten sich zwar nicht vor dem Wormser Dom, sondern beim Krapfenessen, aber gerade in den Szenen der Frauen baut Crombholz immer wieder auf Hebbels dichte Sprache. Auch berührende Momente gibt es - und zwar meist, wenn sich Martina Stilp als Kriemhild und Jan Thümer als Siegfried gegenüberstehen. Wenn sie das erste Mal enttäuscht wird und den Tarnkappen-Betrug, in den ihr Mann verwickelt war, entdeckt. Oder wenn er versucht, ihr Vertrauen wieder zu gewinnen, und schließlich, wenn sie seinen toten Körper vor die Füße gelegt bekommt und innerlich unwiderruflich abstirbt.

Die Rache, die im Bühnenbild von Natascha von Steiger, in mannshohen Holzbuchstaben als Teil des Wortes "Drache" allgegenwärtig ist, taucht den zweiten Teil des Abends in ein Theaterblutbad. Das Gemetzel an Etzels Hof, der mit Siegfrieds Gesicht (auch ihn spielt Thümer), aber rumänischer Sprache übrig bleibt, beendet die Vergeltungs-Soap nahe am Text. Und der Hort bleibt verborgen, dort wo der Rhein am tiefsten ist. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD/Printausgabe, 22.09.2008)