Es ist eine ruhige Gasse, in der Werner Faymann zu Hause ist. Die Zierpflanzen in den Vorgärten sind akkurat gestutzt, die Zaunpfeiler stehen stramm und die Fassaden der Häuser wirken wie frisch geputzt. Am Rande der ehemaligen Arbeitersiedlung biegt sich der mit Pappeln bewachsene Liesingbach, dahinter erheben sich die Türme des Wohnparks Alt Erlaa.

Hier herrscht normales Vorstadt-Idyll - so normal, wie sich Werner Faymann, derzeit wohl prominentester Liesinger, im Wahlkampf gern gibt. Faymann ist dem 23. Wiener Bezirk politisch längst entwachsen. Kritiker ätzen jedoch, er mache Bundespolitik, als handle es sich um eine X-Large-Version des Roten Wien: Mit der Krone auf Du; politische Gegner so lange umarmen, bis ihnen die Luft ausgeht; und das Wichtigste: Vertraute an allen Schlüsselstellen.
Das ist politisch zugespitzt - aber es hat einen wahren Kern: Werner Faymann hat in Liesing Grundlegendes über Politik gelernt - und das hilft ihm bis heute.

Liesing ist ein "roter" Bezirk. Die 86.400 Einwohner haben 2005 bei den Bezirkswahlen die rote "Absolute" bestätigt: 51,8 Prozent erhielt die SPÖ, die ÖVP ist weit abgeschlagen mit 19,3 Prozent, es folgen FPÖ (13,4) und Grüne (12,4). Als Werner Faymann in den späten 70er-Jahren hier in die Politik einstieg, gab es genug Möglichkeiten für ihn und seine Freunde Doris Bures, Wolfgang Jansky und Christian Deutsch: den Liesinger Ableger der „Sozialistischen Jugend" (SJ), die rot besetzten Gremien der örtlichen Volkshochschule, die Bezirksvertretung. „Die marschierten sehr gezielt durch die Institutionen", sagt ein ehemaliger SJ-Kollege Faymanns. „Kritisch, aber höflich und paktfähig" soll Faymanns junge Garde gewesen sein, wie sich der ehemalige SPÖ-Zentralsekretär Günter Sallaberger im Standard-Gespräch erinnerte.

Bures folgte Faymann in Bezirksvertretung, Mietervereinigung, Bundespartei nach - ihr Lebensgefährte Jansky war in Liesinger _Tagen Faymanns Sprecher, heute ist er Geschäftsführer der Dichand'schen Gratiszeitung Heute. Deutsch war Wiener SJ-Sekretär, als Faymann Bundes-SJ-Chef war, heute ist er Geschäftsführer der Wohnservice-Wien Ges.m.b.H. und Chef der Volkshochschule Liesing. Faymann ist nach wie vor Bezirkschef der Liesinger SPÖ, Bures und Deutsch seine Stellvertreter.

Vermischungen

Der Bezirk verdanke der "Faymann-Seilschaft" (ÖVP-Bezirkschef Thomas Arnoldner) einige Unvereinbarkeiten. Aktuelles Beispiel: Der "Liesinger Herbstlauf", der an diesem Samstag, just eine Woche vor der Wahl, veranstaltet wird. Die Startnummern bekommt man bei der Liesinger SPÖ, gesponsert wird der Lauf unter anderem vom Liesinger Markt, der jährlich mit rund 12.000 Euro aus dem Bezirksbudget unterstützt wird; der Volkshochschule Liesing, die ein Drittel ihrer Mittel von der Stadt erhält; der Porr AG und der Städtischen Parkraummanagement Gesellschaft mbH, Letztere zu 51 Prozent im Besitz der Wiener Stadtwerke. Einer der Geschäftsführer ist der Bruder des Büroleiters des SPÖ-Bezirksvorstehers, der wiederum selbst SP-Bezirksrat ist.
Die VP-Fraktion wird eine Anfrage stellen: Ob Mittel, die von der Stadt an obige Institutionen fließen, verwendet würden, um SPÖ-Veranstaltungen zu sponsern?
Ein Schelm, wen das an ähnliche Anfragen der Opposition zu Werbeaktionen des Faymann'schen Infrastrukturministeriums erinnert. (Petra Stuiber, DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.9.2008)