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Viele Serben glauben, dass Serben prinzipiell bereit wären, Strache zu wählen - zugeben wollen es aber nur wenige.

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Februar 2007: FPÖ-Chef H.C. Strache trifft den serbischen Botschafter in Österreich Dragan Velilcic bei der Feier zum serbischen Tag der Staatlichkeit.

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"Jetzt geht es um uns Österreicher!" Seit Anfang September schmückt sich Strache mit dem serbisch-orthodoxen Gebetsarmband auf seinen Wahlplakaten.

"H.C., H.C. Strache". Milana kichert, als sie den Namen des FP-Spitzenkandidaten hört. Die junge Serbin hebt ihren rechten Arm, streckt den Daumen nach oben und entblößt dabei ihr Handgelenk mit dem serbisch-orthodoxen Gebetsband "Brojanica". Genauso wie es Strache auf seinen Plakaten macht, auf denen er um die Gunst der wahlberechtigten serbisch-stämmigen Österreichern buhlt. Obwohl nur zwei Tische besetzt sind, machen die wenigen Gäste aus Kroatien, Bosnien oder Serbien im "Café Talisman" im 15. Wiener Bezirk viel Lärm. Aus den Lautsprechern hört man Kylie Minogue; im Fernsehen sieht man Bilder des regierungskritischen serbischen Nachrichtensenders B92. Man trinkt die nächste Runde vom Kräuterschnaps "Pelinkovac". Über Straches "Anbiederung" kann Milana mit ihren zwei serbischen Freunden nur lachen: "Eine Aktion, die man wohl kaum ernst nehmen kann!"

Würden alle anderen 44.000 wahlberechtigten Serben so denken, wäre die Werbeaktion des FP-Chefs umsonst. Mit seiner pro-serbischen Politik geht Strache auf Stimmenfang in einer Wählerschicht, über die bis jetzt eher wenig diskutiert wird: Bei den stimmberechtigten Österreichern mit Migrationshintergrund. Über 600.000 der insgesamt 1,4 Millionen Migranten besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft. Gemeinsam mit ihren Nachkommen - so schätzt die Statistik Austria - umfasst das migrantische Wählerpotential 200.000 bis 300.000 Personen. Mit knappen vier Prozent der Stimmen sind das sogar mehr Personen als die 180.000 Neuwähler. Mit seiner Wahlwerbung geht Strache auf Stimmenfang in der größten Gruppe dieser Wählerschicht: den stimmberechtigten Österreichern aus dem ehemaligen Jugoslawien.

"Ich würde Strache wählen - wenn ich könnte!"

Obwohl Milana sich an die Stirn tippt: Djukic Ilenko aus Bosnien, der seit 24 Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, ist fest davon überzeugt, dass viele Serben sich von der FP-Plakataktion manipulieren lassen. "Mindestens 50 Prozent der Serben werden Strache wählen; viele von ihnen rein aus Protest", meint der Taxifahrer und nippt an seinem Espresso. Dass viele Serben auf die Werbung anspringen und auch andere Wähler aus dem ehemaligen Jugoslavien Strache unterstützen werden, glaubt auch Bojan. "Wenn ich wählen könnte, würde ich Strache wählen", ruft der Kroate aus Bosnien. Er springt vom Barhocker und setzt sich spontan neben den Taxifahrer Djukic. Dann meint der Kroate etwas leiser: "Schließlich hat Strache gute Ideen in Sachen Ausländerpolitik: Raus mit den Sozialschmarotzern!" Der 25-Jährige, der selbst arbeitslos ist, glaubt sogar, dass jeder dritte Serbe am 28. September sein Kreuz bei der Freiheitlichen Partei machen wird.

"Wir Serben finden es lustig"

Fragt man bei den Serben selbst nach, wollen viele nicht zu denen gehören, die für die FPÖ stimmen. Nur "rot, gelb oder grün" käme - zumindest im serbischen Freundeskreis von Darko K. - in Frage. Der 31-jährige Serbe aus Belgrad nimmt einen Schluck Bier und überlegt kurz. Er ist sich noch nicht ganz sicher, ob er überhaupt wählen geht. Über den FP-Chef kann er nur lachen: "Ich finde es wie viele andere meiner Freunde nur lustig, dass Strache sich uns plötzlich annimmt - mehr nicht." Dann wird Darko ernst. Denn den Wahlprognosen seiner Kollegen aus Kroatien und Bosnien muss der junge Mann zustimmen: "Mindestens ein Drittel" der Serben würden am 28. September ihr Kreuz bei der FPÖ machen. Jedoch nicht wegen der FP-Plakataktion und weil ihr Spitzenkandidat plötzlich sein "serbisches Gebetsarmband aus der Schublade hervorgekramt hat", sondern weil "H.C. hat als einziger in der Kosovo-Frage stets auf der Seite der Serben war und das Problem auch thematisiert hat."

Strache machte bereits in der Vergangenheit auf seine pro-serbische Haltung aufmerksam: Im Februar 2007 ließ er sich anlässlich zur Feier zum serbischen Tag der Staatlichkeit neben dem serbischen Botschafter ablichten. Mit seiner Aussage "Man kann den Kosovo nicht einfach vom serbischen Staat abtrennen", machte sich der FP-Chef bei vielen Serben in Österreich beliebt.

Uninteressant: Listenkandidaten mit Migrationshintergrund

Daniel Milosevic kennt als Organisator einer serbischen Studentenvereinigung in Wien die Stimmung in seiner Community gut: "Vielen ist bewusst, dass Strache auf Stimmenfang geht. Trotzdem: Die meisten lassen sich manipulieren." Auch andere der insgesamt 600 000 Wähler mit Migrationshintergrund würden Strache wählen, glaubt der junge Serbe. "Ganz einfach deshalb, weil Strache mit seiner Ausländerpolitik die Bedürfnisse vieler Migranten anspricht." Dass bei anderen Parteien, wie bei den Grünen, auf den Listen Migranten kandidieren, interessiert seiner Meinung nach die wenigsten Einwanderer, die wählen dürfen. "Man fühlt sich als Österreicher und nicht als 'Migrant', wenn man einmal in Österreich lebt." Der Serbe zitiert - unbewusst - den Slogan des FP-Chefs: "Bei den Nationalratswahlen geht es um uns Österreicher". (Martina Powell, derStandard.at, 18.9.2008)