Paris/Kopenhagen - Die Kredit- und Bankenkrise in den USA ist am Mittwoch zentrales Thema in den internationalen Zeitungen:

"Le Figaro" (Paris)

"Es gibt keine heiligen Kühe mehr auf dem Finanzplaneten. Kein Institut kann sich vor der Katastrophe sicher fühlen. In diesem Mahlstrom spielt sich alles in den USA ab und die europäischen Verantwortlichen sind sichtlich ratlos. Sie haben das unangenehme Gefühl, in einem Formel-1-Wagen zu sitzen, der von der Piste abkommt, ohne dass sie selbst das Steuer in der Hand halten. Die Europäische Zentralbank hat geschickt ihre Rolle gespielt, das System mit Bargeld zu versorgen. Doch jedem ist sehr wohl bewusst, dass der Schlüssel in Washington liegt. Dort navigiert man auf Sicht und versucht, mit öffentlichen Mitteln das Wesentliche zu retten, während man das, was man nicht für lebenswichtig hält, untergehen lässt. Trotz dieser Sachlage ist man aber auch auf dieser Seite des Atlantiks zu Krisenmanagement verpflichtet. (...) Der Markt will wissen, was jeder noch an verborgenen Risiken hat. Während die Zukunft der Banken von ihrer Glaubwürdigkeit abhängt, erweist sich die Transparenz als Notwendigkeit."

"La Croix" (Paris)

"Man kann am Rande des Abgrunds laufen, ohne hinabzustürzen. Man muss nur den tödlichen Schritt vermeiden, der jeden Augenblick möglich ist. Montag wurde im Weltfinanzsystem ein extrem heikler Schritt getan, ohne die Katastrophe auszulösen. Die Entscheidung der US-Regierung, die Investmentbank Lehman Brothers aufzugeben, hat die Finanzmärkte nicht in Panik gestürzt. Der Kursrückgang war stark, aber es gab keinen Sprung ins Nichts. Der US-Finanzminister und der Notenbankchef waren sicher zumindest vorläufig heftig erleichtert. Denn ihre Entscheidung hat schwere Folgen. Zuvor waren sie den großen Finanzinstituten zur Seite gesprungen. Dieses Mal haben sie Lehman Brothers Konkurs gehen lassen, um klarzustellen, dass nicht jedes Mal öffentliche Mittel eingesetzt werden können, um Investoren zu retten, die unbedacht Risiken eingehen. Sie haben sich also für das reinigende Feuer entschieden, um die Finanzleute endlich mit ihrer Verantwortung zu konfrontieren."

"Liberation" (Paris)

"Im Königreich der verrückten Finanzwelt muss man die Palme der Scheinheiligkeit Alain Greenspan zusprechen. Seit 48 Stunden warnt er mit hoher Stimme vor einer Wirtschaftskatastrophe, die "schlimmer als 1929" sei. Dabei stand er selbst von 1987 bis 2006 an der Spitze der US-Notenbank und ist damit der Hauptverantwortliche für das derzeitige Erdbeben. Er, der Ex-Guru der Wall Street, hat immer weiter billige Kredite vergeben und zugelassen, dass der Markt sich in schlimmsten Exzessen verliert. Die Folge ist heute ein sich selbst überlassener Finanzplanet. Nach dem Ende von Lehman Brothers kann niemand voraussagen, wie die wirtschaftliche Zukunft aussieht. Wie soll man den Politikern und Bankiers vertrauen, wenn diese keine Vorstellung von der Konkursspirale haben, die die Subprime-Krise auslösen kann?"

"Information" (Kopenhagen)

"Imperien kommen und gehen. Sie fallen weniger durch eklatante Niederlagen in Kriegen, sondern im Gefolge von Übermut und Spekulation der ökonomischen Investoren. Ein System lebt über seine Verhältnisse und geht am Ende aus dem Leim. Eine nüchterne Diagnose des derzeitigen Gesundheitszustandes der US-Wirtschaft muss zu dem Schluss führen, dass das Land an einem Kreuzweg steht. (...) Niemand weiß, wie viele Tausende Milliarden Dollar Investmentbanken, Unternehmen, und Konsumenten an Schulden angesammelt haben, und das nicht zuletzt im Ausland. (...) Nimmt man die wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Spannungen durch immer größere Einkommensunterschiede und eine bevorstehende, tiefe Wirtschaftsrezession im Inneren hinzu, wird klar, dass die USA vor einer epochalen Krise stehen." (APA/dpa)