Was kann einem Politikwissenschafter und Militärstrategen Besseres passieren, als dass er die Inhalte eines von ihm verfassten Manuals zur "Counter Insurgency" ("Aufstandsbekämpfung" ist da ungenau, denn inkludiert sind auch nichtmilitärische Maßnahmen) nicht nur als Befehlshaber selbst umsetzen kann, sondern dass das Ganze dann auch noch funktioniert? General David Petraeus, der am Dienstag das US-Kommando im Irak abgegeben hat, ist anders als seine politische Führung jedoch viel zu luzid und ehrlich, um drei Tatsachen nicht zu erkennen:

Dass erstens Teile der Strategie problematisch sind (wie die US-Finanzierung von neuen Milizen, die Al-Kaida bekämpft haben, die man jetzt aber nicht so leicht wieder los wird); dass zweitens Faktoren außerhalb des US-Einflusses mitgespielt haben (wie die Mäßigung des schiitischen Rebellen Muktada al-Sadr); und dass drittens die Fortschritte "fragil und reversibel" sind, wie er selbst sagt.

Ein Blick auf die irakische Presseschau von Dienstag zeigt, was das Land umtreibt und nicht in den internationalen Medien landet: darunter eine Cholera-Epidemie mit vierzig (gemeldeten) Todesfällen. Ein echter Aufreger ist die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Mithal al-Alusi, der wegen Verrats angeklagt werden soll, weil er Israel besucht hat. Durch einstimmigen Bescheid ebenjenes Parlaments, das das Land wieder an den politischen Abgrund zu treiben droht, weil es sich seit Monaten nicht auf ein Gesetz für die - für die nationale Versöhnung so wichtigen - Provinzwahlen einigen kann. Vom überfälligen nationalen Ölgesetz hat man auch schon lange nichts gehört - und die arabisch-kurdischen Spannungen wachsen. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 17.9.2008)