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Die orange Müllverbrennungsanlage am südlichen Stadtrand soll demnächst in Vollbetrieb gehen, 430.000 Tonnen Rest- und Sperrmüll werden derzeit in Wien jährlich verbrannt

APA/WKU

Wien - International hat Wien in Sachen Müllentsorgung einen ausgezeichneten Ruf: Rund 200 Delegationen aus der ganzen Welt reisten in den letzten zwei Jahren nach Wien-Simmering, um sich die Entstehung der dritten Wiener Müllverbrennungsanlage aus der Nähe anzuschauen. Zuletzt holte sich der Umweltminister aus Singapur im orangen Zweckbau am südlichen Wiener Stadtrand Tipps zur Müllentsorgung mittels Verbrennung.

250.000 Tonnen Rest- und Sperrmüll kann die neue Anlage, die demnächst in Vollbetrieb geht, verbrennen. "Die Anlage spielt technisch alle Stückerln", sagt Umweltstadträtin Ulli Sima. "und die Entsorgungssicherheit ist durch sie für Jahrzehnte garantiert." Seit gut 30 Jahren wird in der Bundeshauptstadt Müll verbrannt - genauso lange kämpfen diverse Bürgerinitiativen gegen diese Form der Müllentsorgung. Vor allem die Inbetriebnahme der Anlage am Flötzersteig im 14. Bezirk löste zahlreiche Anrainerprosteste aus. Die "überparteiliche BI MV Flötzersteig" kämpft bis heute mittels diverser Protestschreiben an die Stadtregieruung gegen "gefahrengeneigte Anlage" und sieht im Verfeuern von Müll den giftigsten Brennstoff überhaupt.

Überkapazität

Tatsächlich gibt es bis heute keine umfassenden Studien bezüglich der Emissionen von Müllverbrennungsanlagen. "Die Filtertechnik hat sich in den letzten Jahren zweifellos verbessert", sagt der grüne Umweltsprecher Rüdiger Maresch, "aber die Anlage Flötzersteig ist eine Dreckschleuder, daran haben auch die nachträglich eingebauten Filter wenig geändert."

Derzeit produzieren die Wiener jährlich rund 500.000 Tonnen Restmüll, der verbrannt werden kann. Die beiden bereits bestehenden Anlagen am Flötzersteig beziehungsweise an der Spittelau können 430.000 Tonnen verarbeiten. Mit der Wärme, die der Verbrennungsvorgang erzeugt, wird inzwischen mittels Fernwärme ein Gutteil der Wiener Wohnzimmer beheizt. Die Schlacke, die übrig bleibt, landet auf der Deponie.

Die Pfaffenau mache den Flötzersteig eigentlich überflüssig, finden Maresch. "Wenn die Anlage ökonomisch geführt werden soll, gibt es ein Interesse daran, mehr Müll zu erzeugen. Das war auch schon so, als die Spittelau aufgesperrt hat."

Laut Umweltstadträtin Sima wurde die neue Anlage zum einen aufgrund der neuen EU-Deponieverordnung, die ab Jänner 2009 in Kraft tritt, notwendig. Ab diesem Zeitpunkt darf kein unbehandelter Restmüll auf einer Deponie landen. Andererseits wachse Wien bevölkerungsmäßig so stark, dass eine dritte Müllverbrennungsanlage unbedingt notwendig sei. Einige Umweltorganisationen fürchten, nicht alle Delegationen könnten allein wegen der modernen Technik nach Wien-Simmering reisen, sondern vielmehr auf der Suche nach einem geeigneten Entsorgungsort für den Müll aus ihrem eigenen Land sein. Auch weil Bürgermeister Michael Häupl noch im Herbst nach Neapel reist, um dort über den Wiener Müll-Weg zu sprechen. "In der Pfaffenau wird nur Wiener Müll verbrannt", sagt Sima-Sprecher Karl Wögerer. Die Wiener Stadtregierung sieht in der Fertigstellung der Anlage jedenfalls einen Grund zum Feiern und bittet diesen Samstag zum "Eröffnungsfeuer" - mit Wolfgang Ambros und einem Feuerwerk. (Martina Stemmer/DER STANDARD, Printausgabe, 16. September 2008)