Friedrich Torberg um 1955. Das Jüdische Museum Wien widmet ihm eine Ausstellung, die bis zum 1.2.2009 dauert.

Foto: Sammlg. David Axmann

Wien - Die Matinee im Theater in der Josefstadt war ausverkauft. Ihr Gestalter Miguel Herz-Kestranek würde ein Dacapo geben - ließe man ihn. Nicht das Theater hat die Lesung veranstaltet, der Schauspieler musste das Haus mieten. Es gibt offenkundig eine Diskrepanz zwischen Friedrich Torbergs Beliebtheit beim Publikum und seinem öffentlichen Renommee. Das Burgtheater hat auf den einstigen Staatspreisträger vergessen, das Jüdische Museum macht eine Ausstellung, nennt sie aber etwas despektierlich Die Gefahren der Vielseitigkeit, weil Torberg selbstkritisch genug war, ebensolche für sich zu konstatieren.

Der gebürtige und leidenschaftliche Wiener, der 1930 mit seinem grandiosen Romandebüt Der Schüler Gerber hat absolviert Furore machte, war außerdem Lyriker, Feuilletonist, Sportkommentator, Kabarett-Texter, Übersetzer, Polemiker, Parodist und Theaterkritiker mit unerreichter Geistesblitzdichte - und weil ihm, wie er meinte, "nichts davon überzeugend misslang" , hielt er diese Jonglage bis an sein Lebensende 1979 in Schwung. Überdies verfasste Torberg, "organisch außerstande, kurze Briefe zu schreiben" , rund 50.000 lange Briefe, Beweise einer seltenen Korrespondenzkunst. Soeben sind die höchst ergötzlichen Briefwechsel mit Marlene Dietrich (die beiden waren zärtlich, wiewohl platonisch befreundet) und mit Ephraim Kishon erschienen, den Torberg als Übersetzer in deutschen Landen populär machte.

In den Augen vor allem jüngerer Leser verblasst all dies jedoch, verblasst sogar die blühende Gestalt der Tante Jolesch (1975) vor dem düsteren Glanz eines kulturpolitischen Kraft- oder auch Gewaltaktes: des "Brecht-Boykotts". Von 1953 bis 1958 spielte man hierzulande keine Stücke von Bert Brecht, weil Friedrich Torberg und Hans Weigel das so wollten. Der Sozialdemokrat Torberg verstand dies als Engagement gegen den Totalitarismus, dem Österreich in der kältesten Periode des Kalten Krieges in Gestalt der Sowjet-Besatzungsmacht gefährlich nahe war: "Ich bin nicht ‚gegen Brecht‘. Ich bin gegen die Brechtokokken."

Witz und Wasserball

Als Herausgeber der exzellenten, indirekt von der CIA finanzierten Monatszeitschrift "FORVM" bekannte er sich zum Kulturkampf, gegen echte und eingebildete Kommunisten (Thomas Mann, Hilde Spiel) polemisierte und intrigierte er aus Überzeugung. Als Spitzel freilich ließ er sich nicht ungestraft diffamieren.

Die Punze des Boykotteurs haben Marcel Atze und Marcus G. Patka gottlob weder in ihrer Ausstellung noch im reichhaltigen Katalog den vielen guten Seiten des Friedrich Torberg entwertend aufgeprägt. So lässt sich der nach eigenem Verständnis "letzte deutsch-jüdische Schriftsteller" neu entdecken, ob als Sprachvirtuose von messerscharfem Witz oder als erfolgreicher Wasserballer, der 1928 mit Hagibor-Prag gar CSR-Meister wurde.

1921 war der Sohn des Kaufmanns Alfred Kantor nach Prag übersiedelt, wo er bei der Matura durchfiel. Mit Hilfe von Kafkas Freund Max Brod begann er unter dem Künstlernamen Torberg seine literarische Laufbahn, in Wien ward er zugelassen zu Karl Kraus' erlauchtestem Kreise. Seine Emigration führte ihn nach Hollywood und New York. Mit seiner Rückkehr 1951 war er, wie er dem allzu versöhnlichen Hans Weigel schrieb, bereit, "die Rechnung als abgeschlossen zu betrachten", sofern er den Dagebliebenen als Österreicher und Jude willkommen sei.

Torberg machte sich keine Illusionen über den Antisemitismus als einen "integralen Zug des österreichischen Wesens" und ist doch das Beispiel einer rundum geglückten Remigration. Er prangerte zwar die Milde der Justiz gegenüber NS-Verbrechern an, remigrierte zugleich aber noch weiter, in die Welt der k.u.k. Monarchie, wo sich der "Untergang des Abendlandes in Anekdoten" mit schöner Wehmut und perfekter Pointendramaturgie inszenieren ließ.

Als ein wahrhaft Großer der Literatur gilt der bekennende Konservative nicht, aber, so Biograf David Axmann, "in der zweiten Klasse sitzt Torberg gewiss ganz vorn". Seine Exilbücher Hier bin ich, mein Vater und Mein ist die Rache behandeln auf mitreißende Weise das Problem der individuellen Moral in Zeiten der Diktatur.

Der Roman Die Mannschaft und die Novelle Der letzte Ritt des Jockeys Matteo, der Höhepunkt von Herz-Kestraneks brillanter Lesung, sind Musterbeispiele der Sportlerliteratur. Sie zu lesen lohnt sich allemal. (Daniela Strigl, DER STANDARD/Printausgabe, 16.09.2008)