Zur Person

Tulku Lama Lobsang ist ein hoher buddhistischer Meister und ein Experte der tibetischen Medizin und Astrologie.

Geboren im Nordosten Tibets, wurde er im Alter von dreizehn Jahren als die 8. Reinkarnation des Nyentse - Lama wieder erkannt.

Es folgten Jahre der intensiven Ausbildung in Medizin, Astrologie und in unterschiedlichen buddhistischen Praktiken.

Später gründete er das buddhistisch medizinische Zentrum Nangten Menlang in Nordindien.

Foto: Hennrich PR/Patricia Gonzalez

derStandard.at: Die Tibetische Medizin stellt die Emotionen in ihren Mittelpunkt, warum?

Tulku Lama Lobsang: Wir glauben, dass jede physische Krise einer Ursache und einer Bedingung folgt. Die Ursache liegt in unseren Gedanken, während Bedingungen durch äußere Faktoren geschaffen werden.

derStandard.at: Welche Faktoren sind das?

Tulku Lama Lobsang: In der tibetischen Medizin gibt es drei äußere Faktoren. Klima und Wetter, die Art der Ernährung und der Umgang mit dem eigenen Körper.

derStandard.at: Wie können Gedanken ursächlich zu Erkrankungen führen?

Tulku Lama Lobsang: Die drei negativen Emotionen heißen: Hass, Gier und Ignoranz. Diese Emotionen führen dazu, dass der Körper aus seinem Gleichgewicht gerät. Das heißt, nicht nur äußere Einflüsse wirken auf unseren Körper, sondern auch unsere Gedanken. Um sich gesund zu erhalten reicht es nicht sich gesund zu ernähren und täglich Sport zu betreiben. Man muss genauso auf die Kraft der eigenen Gedanken achten.

derStandard.at: Kann man geistige Gesundheit trainieren?

Tulku Lama Lobsang: Ich glaube die Menschen im Westen sind sehr Logik orientiert. Deshalb ist es hier nötig, die Psyche und das Herz zu stärken. Das heißt menschlicher werden, human sein. Gefühle zulassen und Dinge spüren und nicht alles logisch lösen wollen. Mentaltrainings und Meditationen können helfen, ebenso die Lehre des Buddhismus.

derStandard.at: Brauchen wir tatsächlich eine fernöstliche Religion, um geistig gefestigt zu sein?

Tulku Lama Lobsang: Oh nein, ich habe nur den Buddhismus gewählt, da diese Religion die einzige ist, die ich wirklich kenne. Jede Religion eignet sich. Oder genau genommen wirkt alles, was spirituell bildet, heilsam. Das ist ganz sicher so. Ich habe zum Beispiel ein Buch mit 108 Fragen geschrieben. Auch diese Fragen sind eine Möglichkeit der spirituellen Bildung.

derStandard.at: Weshalb verliert bei uns im Westen die Religion und die menschliche Spiritualität so an Achtung und Bedeutung?

Tulku Lama Lobsang: Weil der Mensch sich ganz auf das logische Denken konzentriert. Die gesamt Kraft wird nach außen gelenkt, aber nicht nach innen. Das ist das Problem. Dadurch wissen wir nicht mehr wie unser Geist arbeitet und funktioniert. Wir müssen wieder lernen in uns zu gehen, um unsere spirituelle Welt wieder neu zu entdecken.

derStandard.at: Gibt es aus der Sicht der Tibetischen Medizin körperliche Krankheitsbilder für das Ungleichgewicht zwischen logischem Verstand und spiritueller Verinnerlichung?

Tulku Lama Lobsang: Ja, viele, weil alle Krankheiten mit unseren Emotionen verbunden sind. Zum Beispiel Hass: Eine ständige Wut führt zu Bluthochdruck, Herzinfarkt oder einem gestörten Immunsystem. Hass heißt, dass dauernd etwas so ist, wie man es nicht haben will. Das kann auch bedeuten, dass man sich selbst nicht ausstehen kann.

Das heißt man kann nach außen hin perfekt wirken, aber innen drinnen ist man wie ein wilder Elefant. Eine verrückte Persönlichkeit ohne Ordnung, die sich nicht kennt und eigentlich auch nichts hat. Das sieht keiner. Aber man fühlt es. (nia)