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Die Austria tritt zur Feier des Tages in violett-weiß gestreiften Traditionsdressen ohne Sponsoraufdruck an.

Foto: Markus Peherstorfer

Auf der Stiege im Fansektor gibt es schon eine halbe Stunde vor Anpfiff kein Durchkommen mehr.

Foto: Daniel Huber

Ob selbst gestrickt oder aus dem Fanshop – violett, soweit das Auge reicht.

Salzburg – Ein Fußballfeld zwischen grünen Wiesen, in modernem Blau gestrichenen Wohnblöcken und einer von Graffiti übersäten Tennishalle. Die einzige Tribüne fasst etwa 500 Sitzplätze. „Austria-Fan ist, wer’s trotzdem bleibt“, sagt man sich in Wien. Was für die Bundeshauptstadt gilt, hat wohl auch hier am Rand des Salzburger Stadtteils Maxglan seine Richtigkeit. Anpfiff ist um 17 Uhr. Schon eineinhalb Stunden vorher strömen Grüppchen von Fans zum Gelände. Ihre Gemeinsamkeit: Jeder trägt etwas Violettes an sich. Schals oder Kappen, Polohemden oder Fahnen, selbst fabriziert oder aus dem Fanshop: Hauptsache violett.

Barbara ist eine von ihnen. Die 28-Jährige mit dem violetten Schal arbeitet am nahe gelegenen Flughafen und war heute schon von vier bis zwölf Uhr in der Frühschicht, erzählt sie: „Ich habe nur jedes dritte Wochenende frei. Aber wenn wir ein Heimspiel haben, wird Dienst getauscht. Ich hab in diesem Jahr nur zwei oder drei Spiele versäumt.“

Gartenparty in Violett

Am Eingang, wo die Karten abgerissen werden, weht eine drei Meter hohe violett-weiß gestreifte Fahne. Davor steht ein violettes Zeltdach. Würstel gibt es hier – und Bier. Ein älterer Herr mit grau meliertem Haar sitzt auf einer Bierbank und spielt auf seiner Gitarre. Es ist der 13. September 2008. Ein großes Geburtstagsfest steht an.

Geburtsstunde 1933

Rückblende. Wir schreiben den 13. September 1933. Im Hotel Schwarzes Rössl treffen sich Vereinsfunktionäre der beiden Klubs FC Hertha Salzburg und FC Rapid Salzburg. Das politische Klima im Land ist aufgeheizt, das Parlament ausgeschaltet, die beiden großen politischen Lager unterhalten paramilitärische Verbände.

Was die Funktionäre an diesem Tag verkündeten, musste daher schon einige Tage vorher in einer nächtlichen Geheimsitzung in einem Café in der Getreidegasse fixiert werden: die Fusion des „bürgerlichen“ FC Hertha mit dem Arbeiterverein FC Rapid. Die Vereinsfarben Violett und Weiß wählte man bewusst, weil sie politisch nicht besetzt waren. Der Name des Vereins sollte das Verbindende hervorstreichen. Der SV Austria Salzburg war geboren.

„Du bist der geilste Verein der Welt“

75 Jahre später platzt der ASKÖ-Platz in Maxglan aus allen Nähten. Geschätzte 1600 Fans drängen sich auf der Tribüne und hinter den Werbebanden rund ums Spielfeld. „So voll war’s hier noch nie“, sagt Barbara. Sie steht auf der Stiege im Fansektor. Auf den Sitzen hält es niemand. Eine halbe Stunde vor dem Anpfiff stimmen die Fanklubs einen Sprechchor nach dem anderen an. Man besingt Tradition und Identität: „Austria Salzburg, das ist unser Name, Violett und Weiß sind unsere Farben, es steht geschrieben am Himmelszelt, du bist der geilste Verein der Welt.“

Aufstieg und Niedergang

UEFA-Cup-Finale, drei Meistertitel, Champions-League-Duelle gegen AC Milan und Ajax Amsterdam: Mitte der 1990er-Jahre war die große Zeit der Violetten aus der Mozartstadt. Dann begann der langsame Abstieg mit wechselnden sportlichen Resultaten und immer größeren finanziellen Problemen. In der Saison 2004/2005 war mit dem vorletzten Platz in der Bundesliga der Tiefpunkt erreicht.

Der Verein wurde vom Getränkekonzern Red Bull übernommen. Für die violette Tradition des Vereins war kein Platz mehr: Er hieß jetzt FC Red Bull Salzburg, die neuen Vereinsfarben waren Weiß, Rot und Blau. Ein Teil der Fans kehrte dem Klub daraufhin den Rücken und gründete einen neuen „SV Austria Salzburg“.

Fanpost und Autogramme

Auch Barbara kann sich noch an die große Zeit der Violetten erinnern: „Wir haben damals sogar einmal Fanpost an die Spieler geschrieben und Autogramme von allen bekommen.“ Ihr erstes Spiel im alten Lehener Stadion hat sie vor zehn Jahren gesehen: „Ich war damals gerade den ersten Tag in Salzburg zum Studium, meine Eltern haben mich mit dem Auto abgesetzt und ich hatte keinen Plan, was ich am Abend machen soll. Also hab ich die Zeitung aufgeschlagen und gesehen, dass die Austria spielt.“ Regelmäßiger Matchbesucher wurde sie aber erst beim neu gegründeten Verein.

Neubeginn ganz unten

Der versuchte zunächst eine Spielgemeinschaft mit dem PSV Schwarz-Weiß Salzburg in der 1. Landesliga, was aber wegen Unstimmigkeiten mit der PSV-Vereinsführung scheiterte. Mit dem Spieljahr 2006/2007 trat die neu geformte Mannschaft des SV Austria in der untersten Spielklasse an – gegen Gegner wie den USV Schleedorf, den TSV Unken oder den SV Seekirchen 1b. Und prompt wurde der Titel geholt, dem in der nächsten Saison gleich noch einer folgte.

Schimpfen auf die Bullen

Heute steht zum 75. Geburtstag ein besonderer Leckerbissen an: Das Spitzenspiel der 2. Landesliga Nord gegen den SV Kuchl. Aber auch andere Schauplätze interessieren. Barbara bekommt ein SMS, das Freude auslöst: „Hey, die Bullen sind 2-0 hinten gegen Vöcklabruck. Ha, geil!“ Die red-bull-feindlichen Sprechchöre seien in letzter Zeit aber weniger geworden, sagt sie. „Wer nicht hüpft, der ist ein Bulle“ erfreut sich dennoch ungebrochener Beliebtheit.

Bierdusche und Lichterschein

Zum Anpfiff entrollen die Fanklubs große violett-weiße Transparente. „1933“ steht in großen Lettern drauf. Entlang des Spielfeldrands verkündet ein Spruchband: „Seit 75 Jahren ist eines klar: In Salzburg nur die Austria“. Dann beginnt das Spiel. Ein Sprechchor folgt dem nächsten, dem Spielverlauf folgen die Anhänger nur selten. Nach 28 Minuten spritzt Bier über die Tribüne, bengalische Feuer sorgen für violetten Lichterschein und beißenden Rauch: Es gilt, das 1-0 für die Austria zu feiern. Die Rauchschwaden sind so dicht, dass zeitweise das zehn Meter entfernte Spielfeld nicht mehr auszumachen ist.

Jubel für Hansi

Der Ligaschlager endet 2-0, steht mehrmals am Rande des Abbruchs, kommt aber dann dennoch zu einem guten Ende. Nach dem Spiel richten die Ordner, die mittlerweile eigens produzierte Jacken mit Vereinslogo tragen, eine Videowand auf. Höhepunkte der Vereinsgeschichte werden eingeblendet. Jubel kommt bei den Toren auf, mit denen Hans Krankl den Salzburgern 1988/89 den Wiederaufstieg in die oberste Spielklasse sicherte. Gegen 21 Uhr verlässt Barbara die violette Party. Morgen heißt es früh aufstehen. Aber der nächste Termin ist schon fixiert: Am Samstag steht das Auswärtsspiel gegen den SV Bürmoos an. Ein Sonderzug ist gebucht. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 15.09.2008)