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Außenministerin Plassnik: "Es ist aber klar, dass die fundamentalen Meinungsunterschiede zwischen EU und Russland anhalten werden."

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STANDARD: Mit 1. Oktober soll die EU-Mission in Georgien operativ sein. Wo werden die EU-Beobachter tätig sein? In Pufferzonen oder auch in den abtrünnigen Provinzen?

Plassnik: Eine europäische zivile Mission wird von den 27 Mitgliedstaaten entschieden, von außen kommt niemand eine Mitsprache zu. Wir haben noch nicht endgültig geklärt, wo die Beobachter stehen werden. Es ist aber klar, dass die fundamentalen Meinungsunterschiede zwischen EU und Russland anhalten werden. Für uns ist die Zugehörigkeit von Südossetien und Abchasien zu Georgien unumstritten. Russland hat hier ein anderes Verständnis. Das ist im Augenblick nicht auflösbar.

STANDARD: Wie viele Beobachter wird Österreich schicken? Und werden es Zivilisten sein oder Militärs?

Plassnik: Die Mission wird in Brüssel konzipiert, das Profil der einzelnen Komponenten dort bestimmt. Wenn sich dabei herausstellt, dass Österreich etwas beitragen kann, dann werde ich das dem Ministerrat zum Beschluss vorlegen. Für die EU-Beobachter geht es um Grenzsicherung, über fixe Kontingente kann man zu diesem Zeitpunkt noch nichts sagen.

STANDARD: Moskaus Wortmeldungen zu Georgien sind nicht kohärent. Ist mit unkalkulierbaren Russen eine solche Mission zu machen?

Plassnik: Ich denke schon. Fakten haben sich in den vergangenen Wochen verändert. Die Dinge sind noch im Fluss, es ist eine Art magmatischer Zustand. Jetzt geht es darum, dass die Trennlinien nicht verhärten und sich die Konfliktzone nicht ausweitet. Dafür brauchen wir eine breitere regionale Kooperation, das ist in unserem Interesse und in jenem der Russen. Es kann aber nicht so sein, dass die Nachbarn Russlands eine andere Souveränität haben als jene der USA oder Österreichs. Kein Land kann sich die Regierung des Nachbarn aussuchen. Russland kann nicht wählen, wer in Georgien oder der Ukraine Präsident ist.

STANDARD: An die Konfliktzone grenzt auch die Ukraine. Wie ist die Stimmung nach dem EU-Ukraine-Gipfel, gibt es eine Mehrheit für eine Beitrittsperspektive für Kiew?

Plassnik: Die EU kann die Probleme der Ukraine nicht lösen. Daran ändert auch eine Beitrittsperspektive nichts. Aus meiner Sicht ist die Zeit dafür nicht reif, aus Gründen die auf beiden Seiten liegen. Die Ukraine muss innere Konflikte bewältigen, die EU sollte nicht uneinlösbare Hoffnungen wecken.

STANDARD: Die Türkei hat bereits Kandidatenstatus. Werden deren Beitrittsverhandlungen wegen der Krise wieder an Fahrt gewinnen?

Plassnik: Die Türken haben ein Interesse an regionaler Stabilität. Das Beispiel Nordzypern zeigt, was es bedeutet, wenn ein solcher Konflikt vereist. Es dauert Jahrzehnte, bis Lösungen in Sicht sind. Auf den Beitrittsprozess hat das keinen Einfluss. Da wird es keinen Rabatt geben, das wissen auch die Türken.

STANDARD: Welche Folgen hat die Krise für das Nabucco-Projekt?

Plassnik: Nabucco ist weiterhin ein prioritäres Projekt. Die Ereignisse zeigen, wie wichtig es ist, die Energierouten zu diversifizieren. Ich bin überzeugt, dass weiter mit gleichem Tempo an dem Pipeline-Projekt gearbeitet wird.

STANDARD: Zu einem anderen - quasi - Krisengebiet: Macht Ihnen das Wahlkämpfen in Kärnten Spaß?

Plassnik: Kärnten ist ein Musterbeispiel dafür, dass die Chancen im neuen Europa steigen. Im Dreiländereck ist die Grenze leicht überwindbar. Die Menschen haben die gleiche Währung, die gleichen Interessen. Was ich auf regionaler Ebene erlebe, bestärkt mich in meiner Arbeit in Wien: Europa stärkt Kärnten.

STANDARD: Würde das ein Großteil der Kärntner unterschreiben?

Plassnik: Doch. Diejenigen, die den Menschen etwas anderes einreden wollen, verblassen angesichts dieser Realität.

STANDARD: Orange verblasst?

Plassnik: Ich habe keine Farbe genannt. Aber die Reden vom Freistaat Kärnten halten den Realitäten schlicht nicht stand. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 15.9.2008)