Eine der Hauptaufgaben der nächsten Legislaturperiode wäre eine Wahlrechtsreform. Nach der Stärkung der Kompetenzen des Bundeskanzlers (ähnlich jenen des deutschen) müsste man das Wahlrecht so ändern, dass lähmende Koalitionen verhindert werden können.

Die häufigste Antwort ist das Mehrheitswahlrecht. Mit dem Begriff allein kann man wenig anfangen, weil die verschiedenen Systeme sehr differieren. Da Österreich seit dem Entstehen der Republik das Verhältniswahlrecht pflegt und die Zweite Republik damit große Stabilität verbinden konnte, wäre das britische Wahlrecht mit seinem Ausschluss kleinerer Parteien ein demokratischer Rückschritt - und außerdem gegen alle mitteleuropäischen Erfahrungen.

Das französische System hingegen erleichtert Machtwechsel, ohne kleine Gruppierungen (z. B. die Grünen) zu diskriminieren. Es gibt Einerwahlkreise mit mehreren Kandidaten und Stichwahlen, wenn keine(r) 50 Prozent schafft. Mit Wähler- und Parteienkoalitionen kann auf soziologische und ideologische Veränderungen besser reagiert werden als in Österreichs Listenwahlrecht, das die Abgeordneten zu stark an die Parteien bindet.

Ob man damit allein die Macht der Sozialpartner als Nebenregierung brechen kann, ist fraglich. Denn eben hat man ja diese in die Verfassung geschrieben. Regierungen bleiben damit in einem Bermuda-Dreieck gefangen. Denn der dritte Faktor ist der Präsident - wegen der Volkswahl viel stärker als sein Kollege in Deutschland. Was Heinz Fischer zuletzt auch ausgespielt hat, als er eine Minderheitsregierung der SPÖ verhinderte und Gusenbauer in eine große Koalition zwang.

Realistisch, weil nicht allzu kompliziert, wäre daher eine Mandatsverstärkung der jeweils siegreichen Partei: Bei knappem Überhang bekäme sie drei Mandate dazu, ab einem Vorsprung von fünf Prozent nur zwei, bei mehr als zehn Prozent keines mehr. Vielleicht ein naives Beispiel, aber eine Variante, die große Koalitionen erschweren würde. Und damit derart unrühmliche Zustände, wie wir sie in den letzten zwei Jahren erlebt haben.

Revidiert werden sollte auch die frisch eingeführte fünfjährige Legislaturperiode. Die Nachteile überwiegen. Den Wählerinnen und Wählern wird vorgegaukelt, es gäbe so etwas wie längerfristige Regierungsarbeit. Tatsächlich wird es noch öfter vorzeitige Wahlen geben. Besser wäre es, die Periode auf drei Jahre zu reduzieren. Wenn die Regierung gut arbeitet, könnte sie das Parlament um eine Verlängerung um zwei Jahre ersuchen - ein Bonus für "gute Führung" .

Auf den ersten Blick super-demokratisch schaut der Vorschlag aus, den Heinz-Christian Strache im Standard-Interview am Freitag gemacht hat - bei einem Prozent Stimmenanteil auch gleich ein Mandat zu erhalten. Abgesehen von den Auswirkungen auf die Regierungsbildung: Strache hat nicht gedacht, dass seine Variante das rechtspopulistische Lager noch mehr zersplittern würde.
Leider erschöpft sich die Konsensbereitschaft der Parteien derzeit in Defizit-treibenden Geldgeschenken. Vernunft ist für viele Herren ein Fremdwort. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, Printausgabe, 15.9.2008)