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"Die Kollegen haben eine ordentliche Kopfwäsche von mir verpasst bekommen."

Foto: APA/Jäger

Wien - "Der Freitag ist ein Tag, den ich im Parlament nicht mehr erleben möchte" , sagte Vizekanzler Wilhelm Molterer: "Der steckt mir tief in den Knochen." Der ÖVP-Chef meinte in der ORF-"Pressestunde" damit zwar die von anderen Parteien in Gang gesetzte "Spirale der Begehrlichkeiten" , aber auch seine eigenen Abgeordneten durften sich angesprochen fühlen. "Die Kollegen haben eine ordentliche Kopfwäsche von mir verpasst bekommen" , versicherte Molterer.
Grund für die Abreibung war die Panne bei der freitäglichen Sondersitzung des Nationalrates.

SPÖ-Chef Werner Faymann hatte für seinen Wahlkampfschlager, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu halbieren, nur die Stimmen der FPÖ bekommen. ÖVP, Grüne und BZÖ hätten den sogenannten Fristsetzungsantrag, der einen Beschluss der Steuersenkung vor der Wahl möglich macht, zu Fall bringen können - wenn nicht schwarze und grüne Abgeordnete gefehlt hätten. Also setzten sich Rot und Blau mit 83 zu 80 Stimmen durch.

"Das ist höchst unangenehm und auch nicht entschuldbar" , sagt der ÖVP-Abgeordnete Michael Spindelegger. Fünf seiner Kollegen hätten gefehlt, rechnet der Zweite Nationalratspräsident vor, drei davon seien während der Abstimmung in den Saal gekommen, wären aber zu Unrecht nicht mitgezählt worden.

ÖVP und Grüne: "Folgenlos"

"Man muss die Kirche aber im Dorf lassen" , sagt Spindelegger. ÖVP und Grüne hätten auch mit einer Mehrheit den Mehrwertsteuerplan nicht zu Fall gebracht, meint er. So hätte die SPÖ ihren Vorschlag noch bei der entscheidenden Nationalratssitzung am 24. September als Abänderungsantrag einbringen können. Etwa zum am Freitag auf Schiene gebrachten BZÖ-Antrag, die Mehrwertsteuer auf Medikamente zu senken.

Von einem "folgenlosen Akt" spricht auch der Grüne Peter Pilz, der bei der Abstimmung gefehlt hat, weil er auf einen Sprung in seinem Büro auf der anderen Seite der Ringstraße gewesen sei. Die SPÖ hätte immer noch die Möglichkeit gehabt, die Steuersenkung im Finanzausschuss einzubringen, argumentiert er.

Die Grünen gewichten die Schuld für den Fauxpas übrigens ganz anders als die ÖVP: Von den offenbar 14 schwarz-grünen Schwänzern seien nur drei bei den Grünen zu finden, so die Auskunft aus dem Parlamentsklub. Demnach müssten nicht fünf, sondern 11 ÖVPler gefehlt haben.

War der schwarz-grüne Schnitzer folglich zwar peinlich, aber in der Sache unbedeutend? Nein, heißt es im SPÖ-Klub: Es sei fraglich, ob vor der Wahl noch ein Finanzausschuss zustande gekommen wäre, um die Mehrwertsteuer auf die Agenda zu setzen. "Und es wäre nach unserer Rechtsauffassung auch nicht möglich gewesen, die Steuersenkung als Abänderungsantrag einzubringen" , sagt ein Klub-Sprecher: "Das ist eine Schutzbehauptung der ÖVP." (Gerald John, DER STANDARD; Printausgabe, 15.9.2008)