Ist das, was wir mit Augen und Ohren erfassen, wahr oder eine durch die Sinne verfälschte Wahrnehmung? Philosophische Fragen sind auch im Journalismus aktuell.

Ziehen wir die jüngste Opernkritik heran: Unter dem Titel "Die Abwesenheit des Sublimen" widmeten wir uns der Ariadne auf Naxos in der Wiener Staatsoper. Der Kritiker befand: "Thomas Moser als Bacchus stand überwiegend ebenfalls da wie ein Stock auf der Bühne". Der als hölzern wahrgenommene Mann war aber nicht Thomas Moser. Es handelte sich um den im letzten Augenblick eingesprungenen Lance Ryan, einen Ersatzmann; und dieser war nicht einmal auf dem Besetzungszettel vermerkt, den der Kritiker ausgehändigt erhielt. Zweifel konnten nicht aufkommen: Der eine, Moser, ist dem Kritiker seit Jahren an Stimme und Pastur bekannt - und der andere, Ryan, ist ähnlich gebaut, und als Bacchus müht sich jeder Tenor ab. Ein Ersatzmann, immerhin lässt sich damit erklären, warum er wie ein Stock auf der Bühne stand.

In den von uns abgedruckten Reaktionen auf den Tod des Germanisten Wendelin Schmidt-Dengler wurde der große Mann in einem Zitat mit Karl Kraus und einem gewissen Egon Friedel gleichgesetzt. Der damit angesprochene Schriftsteller, von dem es heißt, "in ihm stand noch einmal die berauschende Fiktion vom universalen Menschen vor uns auf", war Egon Friedell. Es fehlte nur ein Buchstabe, aber ein entscheidender.

Wie es wirklich begonnen hat

Eine historische Wahrheit haben wir in einem Kommentar am Donnerstag auf bemerkenswerte Art auf den Kopf gestellt. "Durch kräftiges Drehen am Ölhahn haben die Scheichs in Reaktion auf den Einmarsch israelischer Soldaten in Ägypten eine Ölkrise herbeigeführt", stand da. Wir haben den Unsinn bemerkt, konnten aber nur in einem Teil der Ausgabe die Dinge zurechtrücken und klarstellen, dass der Jom-Kippur-Krieg im Jahr 1973 mit einem Angriff Ägyptens und Syriens auf Israel begonnen hatte. Das vom seinerzeitigen Bundeskanzler Bruno Kreisky verkündete Diktum "Lernen S' Geschichte, Herr Reporter" hat weiter Geltung.

Nicht jedes Stolpern weist aber auf einen Fehler hin. Das große Experiment, mit dem im schweizerischen Teilchenbeschleuniger ein sogenanntes schwarzes Loch erzeugt werden soll, ließen wir auf der Titelseite um exakt 9.33 Uhr beginnen. Auf der letzten Seite derselben Ausgabe berichteten wir von 10.28 Uhr. Nun, damit hat es seine Richtigkeit.

Um exakt 9.33 Uhr ging es los, 55 Minuten später war die erste Runde im 27 Kilometer langen Tunnel geschafft, 10.28 Uhr markiert also die erste Rundenzeit. Man kann sich natürlich fragen, ob das erreichte Tempo - 29,45 Kilometer pro Stunde - nicht recht weit von der angekündigten Lichtgeschwindigkeit entfernt ist.  (Otto Ranftl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14.9.2008)