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"Ich erwarte mir, dass ohne Studiengebühren wieder noch mehr Studierende kommen. Wir brauchen noch mehr Studierende, das hat auch die neue OECD-Studie gezeigt."

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STANDARD: "Faymanns Five" , seine fünf Punkte gegen die Teuerung, haben zu einer Art Polit-Basar geführt, zu einem öffentlichen Geschachere um Mehrheiten. Wie geht es Ihnen als Parlamentspräsidentin damit?

Prammer: Wer nicht erkennen will, dass die Menschen wirklich Probleme mit der Teuerung haben, der ist blind. Es ist auch eine Tatsache, dass wir bis Februar oder März zu keinem Gesetzesbeschluss kommen können, das würde für die Bevölkerung ein halbes Jahr Warten auf mögliche Entlastungen bedeuten. Daher glaube ich, dass es Sinn macht, das eine oder andere noch jetzt zustande zu bringen. Und da sind sich ja alle fünf Parteien einig.

STANDARD: Die Mehrwertsteuersenkung gilt als sozial nicht treffsicher, kostet aber 750 Millionen. Fürchten Sie nicht, dass das erst recht wieder Frust erzeugt, wenn die Leute die Entlastung gar nicht richtig spüren?

Prammer: Es gibt genug Experten, die sagen, das hilft sehr wohl, ganz besonders den niedrigen und mittleren Einkommensbeziehern. Wenn ich bei den Massensteuern nachlasse, spürt das natürlich die breite Menge. Aber es wäre fatal, wenn man heute der Bevölkerung sagen würde, dass mit diesem Entlastungspaket, auch wenn es eins zu eins käme, das Thema Teuerung bereits abgeschlossen wäre. Das ist ein "Notfallprogramm" , die Teuerung haben wir damit noch lange nicht kompensiert.

STANDARD: Ist diese berühmte Wachteleier-Liste nicht zynisch? Die echten Luxus-Konsumenten belächeln doch diese zwölf Ausnahmen. Für die ist Luxus doch etwas ganz anderes, und der wird auch billiger.

Prammer: Das ist wirklich eine ganz eigenartige Debatte. Der überwiegende Teil der Geschäfte in Österreich führt diese Produkte ja gar nicht, weil die ja nicht gekauft werden. Dafür gibt es einige wenige Exklusivgeschäfte. Aber das ist wirklich nicht das Thema. Ich wundere mich immer wieder, wie man zentrale Punkte, die für die Bevölkerung manchmal schon lebensnotwendig werden, dann in so eine Richtung lenkt. Die Bevölkerung hat wahrlich andere Probleme.

STANDARD: Die Luxus-Liste ist also eigentlich nur ein Symbolpflaster?

Prammer: Ja, es ist wohl ein Symbolpflaster. Aber damit man über alle Zweifel erhaben sein kann, ist es natürlich eine Möglichkeit.

STANDARD: Sie sind Soziologin und kennen die soziale Zusammensetzung an den Unis, Akademikerkinder sind zweieinhalbfach überrepräsentiert, die werden sich bedanken für die Abschaffung der Studiengebühr. Ist Ihnen da wohl dabei?

Prammer: Ich erwarte mir, dass ohne Studiengebühren wieder noch mehr Studierende kommen. Wir brauchen noch mehr Studierende, das hat auch die neue OECD-Studie gezeigt. Und wir wissen genau, wo diese "noch mehr" zu finden sind - Studierende aus einem sozialen Umfeld, die noch viel zu selten den Weg zur Uni gefunden haben. Aber wir sind noch lange nicht am Ende. Die Abschaffung der Studiengebühren ist eine wesentliche Maßnahme, die aber solo so nicht stehen bleiben kann. Es gibt noch viel zu tun, um Bildungsbarrieren abzubauen. Darum war die Debatte um die gemeinsame Schule auch so wichtig.

STANDARD: Warum soll man der SPÖ die "Nicht-mit-der-FPÖ" -Beschwörungen glauben? Angesichts der Gemeinsamkeiten jetzt drängt sich der Eindruck auf, da geht noch mehr.

Prammer: Da gibt es viele Gründe. Wenn immer wieder Situationen auftreten, wo man in der FPÖ keine eindeutige Abgrenzung nach rechts trifft, dann ist das ja sowieso eine sonnenklare Angelegenheit. Dass die FPÖ in sozialen Fragen, solange es nur um die österreichische Staatsbürgerschaft geht, näher bei der SPÖ steht, ist evident, und das wissen wir seit vielen Jahren. Aber allein die Spaltung der Gesellschaft ist zutiefst abzulehnen. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 13.9.2008)