Die jüdische Gemeinde in Österreich hatte in den vergangenenWochen und Monaten viel Publicity - jene, die nicht nur mit der dunklen Vergangenheit Österreichs zu tun hatte.
Vor einem halben Jahr etwa wurde das Sportzentrum Hakoah im Wiener Prater wiedereröffnet. Kommenden Mittwoch soll auch die Übersiedlung der Zwi-Perez-Chajez-Schule von der Castellezgasse in die Simon-Wiesenthal-Gasse befeiert werden. Das Besondere an der Schule: Sie vereint Kindergarten, Volksschule und Gymnasium und bildet durch die Nähe zur Hakoah einen Campus.

Gleichzeitig verbindet sie die Generationen: bei der Hakoah ist auch ein Bildungszentrum und ein Pensionistenheim. "Das ist die größte derartige Schule in Europa" , sagt Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Den Campus sollen 600 Kinder besuchen. Hat sich die jüdische Gemeinde auf wundersame Weise vermehrt oder warum tut sich so viel in der Gemeinde? "Nein. Es ist eine Wechselwirkung von Angebot und Nachfrage: je mehr Angebot, desto mehr Nachfrage" , sagt Muzikant. Von einer Blüte in der österreichisch-jüdischen Gesellschaft könne aber keine Rede sein.

Auch Martin Engelberg, Mitglied der Gemeinde, sagt: "Es ist ein Aufflackern, aber keine Blüte. Die Frage ist, wie die Kultusgemeinde zu einer Heimstätte werden kann." Denn im Stadttempel in der Seitenstettengasse sei wenig los. Und viele Wiener Juden würden ihre Kinder nicht in eine jüdische Schule schicken. Peter Menasse, Chefredakteur der jüdischen Zeitschrift Nu: "Man muss sich von der Illusion trennen, dass es das blühende jüdische Leben wie vor dem Krieg je wieder geben wird."

Zwischen 15.000 und 20.000 Juden leben heute in Österreich, nur ein Bruchteil von ihnen ist Mitglied in der Kultusgemeinde. Der überwiegende Teil wanderte nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Osten zu. Vertriebene Juden kehrten kaum nach Österreich zurück. (Marijana Miljković / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.9.2008)