Träume von Reichtum und Erlösung durch den unbekannten Prinzen: Laura Riberos Telenovela-Serie "Electro-Domestico"

Foto: Sammlung Verbund/Ribero

Und jetzt Istanbul! Und dann Städte in Italien und Deutschland und Frankreich, überall HELD TOGETHERWITHWATER, überall Lawrence Weiners Skulptur, die auch als Logo für die Sammlung Verbund zu lesen ist. Jene Sammlung des österreichischen Energieunternehmens ist das, die nur vier Jahre nach dem ersten Ankauf 2007 im Wiener Museum für angewandte Kunst erstmals öffentlich ausgestellt worden ist. Und nun überall dort in je neuer Auswahl und angereichert um Zugänge gezeigt werden soll, wo der Verbund Joint Ventures mit den örtlichen Konzernen eingeht.

Natürlich nicht nur dort; aber ein selbstbewusster Auftritt ist das allemal, ist die Sammlung, die Gabriele Schor gemeinsam mit einem wechselnden international besetzten Gremium anlegt, doch alles andere denn eine typische Unternehmenskollektion. Hier wird nicht mit Kunstmarkt-Blue-Chips Potenz suggeriert, hier findet sich kein auf Hochglanz in Pink poliertes Edelstahlherz eines Jeff Koons und auch kein Rotationsprofil des britischen Universalpädagogen Tony Cragg.

Die Sammlung Verbund beginnt mit Kunst, die in den 70er-Jahren entstanden ist, zum einen "Räume/Orte" befragt und zum anderen "Performanz" betont. "Performanz" umfasst beinahe das gesamte Frühwerk von Cindy Sherman, das in den Jahren 1975/76 entstanden ist, darunter die Serien Bus Riders und Murder Mystery People. In ihren Untitled Film Stills (1977-1980) greift Cindy Sherman die Ästhetik des Film noir auf, inszeniert stereotype Darstellungen der Frau im Film und in den Medien und konfrontiert den Betrachter mit "Simulakren" (Jean Baudrillard), die es nicht erlauben, die Identität der Künstlerin in den Fotografien zu erkennen.

Um das Frühwerk von Sherman gruppiert sich die feministische Avantgarde mit Werken von Eleanor Antin, Birgit Jürgenssen, Francesca Woodman und VALIE EXPORT. Diesen "Klassikern" beigestellt finden sich Urs Lüthis Selbstporträts von 1970: I'll be your mirror oder You are not the only who is lonely.

Fremdbestimmte Figuren

Und unter den jüngsten Positionen Laura Riberos wunderbare Fotoserie Electro-Domestico, eine Persiflage auf das Genre der stets endlosen lateinamerikanischen Telenovelas. Ribero gibt das ebenso gutmütige wie latent melancholische Hausmädchen, das von Reichtum und Erlösung durch den Prinzen träumt. Und dabei ebenso fremdbestimmt erscheint wie Markus Schinwalds Marionette Gus.

"Räume/Orte" werden, chronologisch betrachtet, zunächst von Gordon Matta-Clark dekonstruiert (Splitting, 1974) oder durch Fred Sandback mit dem minimalen Mittel des Acrylfadens als physisch erfahrbare Sensation aufgespannt. Um später in den Lightboxes eines Jeff Wall mit rätselhafter Bedeutung aufgeladen oder durch Theresa Hubbart und Alexander Birchler in Stadien des Verfalls festgehalten zu werden: Wenn das Capitol-Filmtheater geschlossen bleibt, bleibt nur mehr Sehnsucht - auf höchstem ästhetischen Niveau.

Olafur Eliasson ist nicht in der Auswahl für das Istanbul Modern Museum, eine Institution, die in etwa so jung ist wie die Sammlung Verbund. Er bereitet eine permanente Installation für das Hauptgebäude Am Hof in Wien vor: Sein bei diversen Wiener Behörden höchst genehmigungsintensiver Yellow Fog soll ab Mitte Oktober die Zentrale jeweils nach Einbruch der Dunkelheit in gelb getönten Nebel hüllen. Als Neuzugang zur Sammlung ist in Istanbul erstmals Nil Yalters Loop La Femme sans tête ou la danse du ventre aus 1974 zu sehen, und damit ein erstes Dokument feministischer Avantgarde aus der Türkei.

Abigail Solomon-Godeau, führende feministische Kunsthistorikerin, zu einer weiteren Künstlerin, die schwerpunktmäßig in der Sammlung, die demnächst schon zukunftssichernd in eine Stiftung eingebracht werden soll, vertreten ist: "Birgit Jürgenssen ist so signifikant für mich, sie ist ein Beispiel dafür, was mit Werken von Künstlerinnen in der Kunstgeschichtsschreibung passiert. Ihr Werk war international völlig marginalisiert." (Markus Mittringer aus Istanbul / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.9.2008)