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Molterer und Faymann sind sich zumindest bei der Familienbeihilfe einig.

Foto: APA/Jäger

Wien - Bunte Mehrheiten hat ein turbulenter Abstimmungs-Marathon bei der Sondersitzung im Nationalrat am späten Freitagabend gebracht. Das "freie Spiel der Kräfte" hatte bei der Abstimmung über die Fristsetzungsanträge Hochkonjunktur. Abgestimmt wurde über gezählte 52 Anträge, alleine deren Verlesung durch die Dritte Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig dauerte mehr als 20 Minuten. Abgesegnet wurden auch all jene Fristsetzungsanträge, die das Fünf-Punkte-Pakte der SPÖ zum Inhalt hatten, was Voraussetzung für dessen Beschluss noch vor der Wahl bei der letzten Nationalratssitzung am 24. September ist.

Bereits der zweite Punkt - der Fristsetzungsantrag betreffend Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel - hätte dank eines Kuriosums um ein Haar keine Mehrheit gefunden. Denn entgegen den Erwartungen stimmte das BZÖ dem rot-blauen Antrag nicht zu, damit wäre der Antrag eigentlich gescheitert gewesen. Da aber mehrere Grüne und ÖVP-Abgeordnete bei der Abstimmung fehlten, reichten die Stimmen von SPÖ und FPÖ für die Absegnung des Antrages. Dem Vernehmen zufolge war VP-Klubchef Wolfgang Schüssel über den Faux Pas wenig erfreut.

Pflegegelderhöhung einstimmig

Damit darf SP-Chef Werner Faymann, der sich die MwSt.-Senkung mit seinem 5-Punkte-Paket ja fix vorgenommen hat, weiter auf einen Erfolg seines Vorhabens hoffen. Auch die meisten anderen Punkte des Vorhabens kamen durch wildes Abstimmungsverhalten zu Stande. Der Fristsetzer zum Studiengebühren-Aus erhielt wie erwartet die Zustimmung der drei Antragsteller SPÖ, Grüne und FPÖ und wurde von diesen heftig beklatscht. Einstimmig fiel die Zustimmung zum Fristsetzungsantrag betreffend Pflegegelderhöhung.

Bei der 13. Familienbeihilfe sowie der Verlängerung der Hacklerregelung, die ja auch die ÖVP fordern, gab es gesonderte SP- und VP-Anträge. Diese fanden allesamt Mehrheiten - freilich stimmten die Noch-Koalitionspartner beim jeweils anderen nicht mit.

Faymann kein einzigens Mal am Wort

Auffallend war, dass Faymann nach seinem verspäteten Erscheinen kein einziges Mal das Wort ergriffen hatte, obwohl er - im Gegensatz zu Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) - bis zum Schluss der Dringlichen Anfrage im Plenum verharrte und auch während der Fristsetzungsdebatte noch im Saal war.

Überraschungen dank bunter Mehrheiten

Das freie Spiel der Kräfte hatte auch eine Reihe von Überraschungen gebracht. Äußerst bunte Mehrheiten ermöglichten unter anderem ein Ja zu den Fristsetzungsanträgen betreffend der Einrichtung von U-Ausschüssen als Minderheitenrecht oder dem BZÖ-Wunsch nach Reduzierung der Arbeiterkammer-Umlage.

Von den Fristsetzungsanträgen erhielten 25 ein Mehrheit. Für die Einsetzung von U-Ausschüssen sprachen sich alle Fraktionen außer der ÖVP aus. Dem orangen Wunsch nach einer Reduzierung der Arbeiterkammer-Umlage schlossen sich FPÖ und ÖVP an. Eine Mehrheit gab es auch für den VP-Antrag nach Einführung eines einkommensabhängigen Karenzgeldes, dem sich alle Fraktionen außer dem BZÖ anschlossen.

Mit den Stimmen von BZÖ, FPÖ und SPÖ wurde der Fristsetzer zur Senkung der Mehrwertsteuersenkung auf Medikamente durchgewunken. Etwas überraschend: Das Nein der SPÖ zum Grünen Antrag für ein "Vatermonat nach der Geburt" (scheiterte mit Stimmen von Grün und Orange) - Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) hatte bisher doch stets ein "Papa-Monat" propagiert. Eine einstimmige Zusage gab es neben jener zum Fristsetzungsantrag zur Pflegegelderhöhung u.a. auch für einen ÖVP-Antrag betreffend eines "Österreich-Tickets".

Das bunte Bild hatte sich schon zuvor, bei der Abstimmung über die von allen Parteien außer der ÖVP eingebrachten "Entschließungsanträge" abgezeichnet. Inhaltlich haben diese Entschließungsanträge wenige Wochen vor der Wahl freilich nur symbolische Bedeutung, weil es sich dabei nur um unverbindliche Empfehlungen an die Regierung handelt. Interessant waren aber auch bereits hier die Allianzen: Ein von SPÖ und BZÖ eingebrachter zur Festsetzung von Höchstpreisen für Treibstoffe wurde auch von der FPÖ unterstützt, einem Grünen "Entschließer" zur Förderung von öffentlichen Verkehrsmitteln aus Bundesmitteln verhalfen rot und orange zur Mehrheit und eine BZÖ-Empfehlung zur Öffnung der ASFINAG-Tankstellen erhielt die Zustimmung von SPÖ, ÖVP und FPÖ.

Klement-Rede ohne Applaus

Schon zuvor hatte es eine weitere Premiere im Hohen Haus gegeben, nämlich einen Abgeordneten, dessen Rede nicht ein einziger Kollege beklatschen wollte: Der aus der FPÖ ausgeschlossenen Kärntner Karlheinz Klement musste sich nach einem seiner letzten Auftritte im Hohen Haus ohne Applaus vom Rednerpult verabschieden.

Nach etwas mehr als zehn Stunden wurde die Sitzung geschlossen. Fix ist mit all den Beschlüssen der Fristsetzungsanträge freilich noch lange nichts. Diese ermöglichen es lediglich, dass bei der letzten Sitzung vor der Wahl am 24. September über die entsprechenden Anträge dann auch abgestimmt werden kann. Damit muss man mit einer - vermutlich ziemlich spannenden - Marathon-Sitzung rechnen. Die Tagesordnung dürfte sehr lange werden, der Plenartag wird sich vermutlich bis spät in die Nacht hinein ziehen. (APA)