Nachdenkliche Blicke zweier Verliebter: Harry (Chris Cooper) und Kay (Rachel McAdams) in Ira Sachs’ "Married Life" .

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Wien - Es gibt Sätze, die klingen richtig, doch je öfter sie ausgesprochen werden, desto unglaubwürdiger werden sie. "Wir dürfen unser Glück nicht auf dem Unglück der anderen aufbauen." - In Ira Sachs' Film Married Life ist es diese Aussage, die wie ein Virus von einer Figur zur nächsten wandert. Dagegen gäbe es an sich wenig zu sagen. Doch der Satz klingt von Mal zu Mal unaufrichtiger, weil ihn ein jeder zu seinem eigenen Vorteil wenden will. Glück ohne Unglück, also ein Ding der Unmöglichkeit?

Married Life beginnt mit einem überraschenden Geständnis. Harry Allen (Chris Cooper), ein Geschäftsmann in reiferem Alter, vertraut seinem leichtlebigen Freund Richard (Pierce Brosnan) an, er habe sich verliebt. Doch Harrys Glück steht der Umstand im Weg, dass er seit langen Jahren verheiratet ist. Nun gilt es Ende der 40er-Jahre, in denen der Film spielt, für einen angesehenen Mann noch als anstößig, seine Frau zu verlassen. Zumal Harry es gar nicht übers Herz bringt, Pat (Patricia Clarkson) mit der Wahrheit zu konfrontieren - einziger Ausweg erscheint ihm ein Mord.

Es ist ein Ausgangspunkt, von dem aus Entwicklungen in vielerlei Richtungen denkbar wären: ein Beziehungsdrama, ein Melodram, ein Thriller. US-Regisseur Ira Sachs, der 2004 mit Forty Shades of Blue die schwermütige Studie einer Ehe inszenierte, bleibt in Married Life zwar dem Thema bürgerlicher Lebenswelten treu, schlägt aber diesmal komödiantischere Töne an. Keine Figur ist hier frei von Fehlern, keine richtig tugendhaft - doch an der Oberfläche wird standhaft ein anderer Eindruck gewahrt. Ein beträchtlicher Teil der Komik rührt aus den verbalen und gestischen Verrenkungen, die diese Aufrechterhaltung des Scheins notwendig macht.

Ira Sachs legt viel Augenmerk auf die stilgerechte Ausstattung des Films: auf farblose Oberflächen, die häusliche Beengtheiten noch unterstreichen und in denen Kay (Rachel McAdams), Harrys - und bald auch Richards - Herzensdame, mit ihrem platinblonden Dorothy-Malone-Look recht exotisch wirken muss. Würde Married Life der Typologie des Film noir entsprechen, wäre sie die Femme fatale. Doch der Film liebt es, Konventionen zu durchkreuzen.

In seinem zwischen Komik und ernsthafteren Zügen changierendem Zugriff auf das Spiel des Begehrens erinnert Married Life ein wenig an jene Filme Woody Allens, in denen dieser sich am Stil älterer Genres erprobte. Wie Allen interessiert sich auch Ira Sachs nur wenig für gesellschaftliche Zwänge - er hält die Zügel locker und blickt sardonisch auf jene Turbulenzen, die über Glück und Unglück entscheiden. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.9.2008)