Im deutschsprachigen Raum gibt es mehr als 40 Foren, in denen Suizid-Gefährdete Hilfe suchen - doch Experten befürchten auch, dass einige in ihrem Vorhaben dadurch bestärkt werden

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"Seit längerer Zeit habe ich schon diesen quälenden Gedanken. Habe seit ein paar Tagen echt Angst, ich könnte mir wirklich was antun." Hilfeschreie wie dieser von einer Userin aus einem deutschen Selbstmordforum sind im World Wide Web häufig zu lesen. Die Suche nach Seelenverwandten und unterbewusst oft auch nach Hilfe treibt viele verzweifelte Jugendliche zu virtuellen Plattformen. Allein im deutschsprachigen Raum sind mehr als 40 solcher Foren zu finden.

In Vorhaben bestärkt

"Es schaut so aus, als würde vielen Suizid-Gefährdeten über diese Art von Kommunikation geholfen werden. Gleichzeitig aber werden ebenso viele in ihrem Vorhaben bestärkt", sagte Gernot Sonneck, Vorstand am Institut für medizinische Psychologie an der Universität Wien über Nutzen und Schaden des Cyberspace.

Zwei Jugendliche pro Monat überprüft

Auch im Bundeskriminalamt gibt es eine ähnliche Entwicklung zu berichten. "Zum Glück ist aber in den letzten zwei Jahren nichts vorgefallen", so Leopold Löschl, Leiter des Büros für Computer- und Netzwerkkriminalität. Die Beamten seiner Abteilung durchforsten das Internet. Dabei werden in Österreich durchschnittlich zwei jugendliche User monatlich überprüft, die als gefährdet eingestuft werden. "Obwohl es eine gewisse Zeit dauert, bis wir herausgefunden haben, wem der Anschluss gehört, kommen wir doch in den meisten Fällen rechtzeitig und können Schlimmes verhindern. Datenschutz ist wichtig, aber es wäre nichts fataler als zu sagen: Uns sind rechtlich die Hände gebunden, wir konnten nichts tun."

Risikofaktoren

Gescheiterte Beziehungen, schulische Probleme oder ein kaputtes Elternhaus - es gibt viele Ursachen für einen Besuch im Chatroom. Risikofaktoren können aber auch, wie bei Erwachsenen, schwere Krankheiten, Arbeitslosigkeit oder sexueller Missbrauch sein. Primär aber möchte der Betroffene wissen, ob sich noch jemand in der gleichen Situation befindet wie er selbst, erläuterte Sonneck das Spiel mit dem Tod. Und dafür biete das Internet für Jugendliche die Ausgangsbasis.

Ermittler oft machtlos

Technisch gesehen schauen die Ermittler bei Selbstmord-Foren oft machtlos zu. Einerseits erschwert die Fülle an Foren und Chats eine ausreichende Kontrolle, andererseits bieten selbst Filtersysteme nur eingeschränkten Schutz. Eine große Hilfe finden die Beamten in anderen Usern. "Meist bekommt ein Chat-Partner kalte Füße, wenn er den Ernst der Lage erkennt, und meldet die gefährdete Person der Polizei", so Löschl. Oft halten sich die Betroffenen aber auch in Foren auf, die von sogenannten Moderatoren überwacht werden und welche im Notfall die Beamten einschalten.

Selbstmordpläne im Esoterikforum

"Wenn sich aber jemand töten will, dann tötet er sich auch", zitierte Computerkriminalitätsleiter Löschl einen Wiener Amtsarzt. So zeugt auch der Eintrag in einem österreichischen Esoterikforum von den teils schon festen Plänen mancher Jugendlicher: "Gibt es gute Bücher wie man am besten Selbstmord macht? Irgendwelche Tipps?" Auch wenn nach §78 Österreichisches Strafgesetzbuch die Mitwirkung, Anstiftung und Beihilfe zum Selbstmord strafbar ist, präzise Anleitungen zum Suizid finden sich auf zahlreichen Internetseiten, deren Zugang auch für Kinder leicht möglich ist.

Prinzipiell gilt es aufmerksam zu sein, wenn der Teenager alle realen Kontakte zu Freunden abbricht und seine Kommunikation auf das Internet beschränkt, wenn er Schule und Hobbys vernachlässigt und sich immer mehr in sich zurückzieht. (APA)