Wien - Das gibt es eigentlich gar nicht, aber: Wer noch nie in seinem Leben eine a) Hochzeit in einem Dorfgasthaus, b) den jährlichen Ball des örtlichen Schützenvereins oder c) eine Faschingsparty in jener Vorhölle besucht hat, in der sich schnauzbärtige Mannsbilder mit der Betonung auf Bierbauch gern als die Sennerin vom Königssee verkleiden, muss sich Folgendes vergegenwärtigen: a), b), c) - in drei Tagen bist du tot.
Raus. Weg. Ab in die Stadt, die keine Ziergärten und Gardinen hat. Niemand holt uns da raus. Wir müssen selber wollen. Im Dorf wohnen jene Träume, die nur für die wenigsten in Erfüllung gehen.
Der deutsche Komödiant Heinz Strunk hat 2004 darüber ein grandios unterhaltsames, zum Zuprosten und Losheulen einladendes Buch namens Fleisch ist mein Gemüse (Eine Landjugend mit Musik) geschrieben. Das hat sich bis heute über 250.000-mal verkauft. Kunststück - der Mann mit einer einschlägigen Vergangenheit als Pappmaché-Illusionen verkaufender Saxofonist einer drittklassigen Tanzkapelle namens Tiffanys kennt sich aus. Bezüglich der Zweitverwertung von Träumen vom großen Leben aus dritter Hand kann man einem bezüglich Schnulzen- und Beschwichtigungspop, Bier, Schnaps und Wiener Schnitzel geeichten Musikanten aber gar nichts vormachen.
Heinz Strunk kommt aus Harburg, einem trostlosen Vorort von Hamburg. Dort, auf der falschen Seite des Elbtunnels, wo die große weite, vom anderen Ufer grüßende Welt trotz Sichtkontakt unvermutet in Beklemmung mündet, schrieb sich der "Heinzer" seine Jugend damals mit einem autobiografischen Roman von der Leber.
Mit Acne conglobata im Gesicht sowie einer psychisch kranken Mutter im Heim und schlechtem Gewissen torkelt Heinzer durch die mittleren 80er-Jahre: jetzt auch in einem dieser Fernsehfilme, die mit schlichten Mitteln und Galgenhumor-Tristesse für das Kino aufgeblasen werden und sehr bemüht die Grenze von Satire und Problemfilm verwischen wollen.
Wir hören unter der müden Regie von Christian Görlitz und mit Maxim Mehmet als Heinz Strunk über knappe zwei Stunden nicht sterben wollende Hits wie An der Nordseeküste, G-g-geil oder die Polonäse von Blankenese. Und wir bekichern zu Sun Of Jamaica einen dramatischen Unfall mit der Goombay Dance Band. Dazwischen bringen sich die Mutter und die Nachbarin um. Heinzer holt sich fast eine Fischvergiftung vom Griechen am Eck. Er hat ein einziges Mal äußerst schlechten Sex (was niemand sehen will). Und er tut auch sonst alles, was lebenslang diesen schönen Spruch rechtfertigt: Für eine glückliche Jugend ist es nie zu spät. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 10.09.2008)