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Ernst Berger (re.) springt für Max Friedrich in die Bresche. Von anderer Seite kommt Kritik an Friedrich.

Foto: AP/Hans Punz

Wien - In der Affäre um Vorwürfe gegen Gerichtsgutachten des Kinder- und Jugendpsychiaters Max Friedrich melden sich jetzt andere Experten zu Wort. Etwa die Wiener Opferanwältin Eva Plaz.
Den diskussionsauslösenden Fall eines Kärntners, der nach 22 Monate Haft wegen sexuellen Missbrauchs an seiner - von Friedrich begutachteten - Tochter eine Wiederaufnahme seines Falles erwirkte und freigesprochen wurde, wolle sie nicht kommentieren. Das betont die Juristin im Gespräch mit dem Standard. Wohl aber den "im Hintergrund seit Jahren schwelenden Streit um zugelassene Gutachtermethoden" .

Die Frage sei, ob es Experten, die kleine Kinder begutachten, weiterhin gestattet sein soll, Methoden wie Spieletests oder Auswertung von Zeichnungen zu verwenden, um sexuellen Missbrauchserfahrungen auf die Spur zu kommen: So wie er derzeit in Österreich geregelt ist - und wie es dem Vernehmen nach auch Friedrich handhabt.

Oder ob sie sich allein auf das zu beschränken haben, was die Kinder sagen: So wie es in Deutschland der Fall ist, "wo der Bundesgerichtshof bestätigt hat, dass in solchen Fällen allein die Aussagepsychologie die Methode der Wahl ist" .

Anwälte machen Druck


Laut Plaz verbessert die heimische Methodenvielfalt die Position von Kindern mit Missbrauchserfahrungen vor Gericht entscheidend. "Vor allem, wenn sie noch sehr klein und ihre Aussagen noch nicht hundertprozentig verlässlich sind." Anwälte, die Verdächtige in Fällen von Kindesmissbrauch oder Gewalt an Kindern vertreten, versuchten nun "auch in Österreich Druck für die Kriterien der Aussagenpsychologie machen" - etwa durch die Kritik an Friedrich.

Doch der deutsche Weg sei der falsche: "Weil auf diese Art wichtige Erkenntnisquellen verschlossen bleiben" , sagt Plaz.

Zur Verteidigung der Verdienste Max Friedrichs bei der Begutachtung kindlicher Opfer von Gewalt setzt im Standard-Gespräch der Kinder- und Jugendpsychiater Ernst Berger an. Friedrich sei an der Einführung der kontradiktorischen Einvernahme von Minderjährigen vor Gericht eng beteiligt gewesen. Wenn Zeugenaussagen über sensible Themen wie Missbrauch jetzt schon seit Jahren nicht mehr vor dem Angeklagten und seinem Verteidiger im Gerichtsssal, sondern geschützt vor einer Videokamera stattfänden, so sei das "mit ein Verdienst des Kollegen. Friedrich hat sich positioniert. Jetzt steht er im Schussfeld."

Zu hinterfragen sind laut Berger, der selber fallweise Gerichtsgutachten erstellt, stattdessen "Richter, die sich voll auf Expertisen verlassen" . Das sei nicht der Zweck von Gutachten: "Letztlich hat der Richter zu entscheiden."

Kritik an Friedrich, Berger und allen anderen heimischen Gerichtsgutachtern kommt hingegen vom Psychiater Reinhard Haller. Österreichische Expertisen vor Gericht würden "den Qualitätsstandards, die in anderen Ländern üblich sind, nicht entsprechen" , sagt er.

Die Gründe dafür sieht Haller in der "mangelhaften Ausbildung" und dem "Mangel an Zeit" , die sich die Experten für diese Arbeit nähmen - sowie in deren "miserabler Bezahlung". (Irene Brickner, DER STANDARD - Printausgabe, 10. September 2008)