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Foto: AP /Matt Sayles

Britney Spears (26) räumte bei den heurigen MTV Video Awards groß ab.

Foto: AP /Matt Sayles

Vor einem Jahr sah man sie als Stargast der jährlich weltweit übertragenen MTV Video Music Awards sichtlich verwirrt im Show-Bikini über die Bühne torkeln. Kleine Britney, böses Kind. Aber auch: Britney, die schlechte Mutter. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte die internationale Boulevardpresse an der damals 25-jährigen US-Sängerin einen Narren abseits ihrer fröhlich-harmlosen Hitparadenkunst zwischen Lalelu-Texten und quietschigen Dancefloor-Beats wie Baby One More Time oder Oops! ... I Did It Again für Stripshows im Kinderzimmer gefressen.

Dieser Narr im Bauch der Unterhaltungsindustrie sorgt dafür, dass noch jeder Ausrutscher eines Stars heute nur Stunden danach in Online-Foren für Furore sorgt. Spätestens seit YouTube oder YouPorn gilt: Geil ist, was die anderen machen!

Über die Zehen unschuldiger Paparazzi

In Folge fuhr Britney mit dem Auto über die Zehen unschuldiger Paparazzi. Teilnehmend beobachtend nahm die Weltöffentlichkeit daran teil, wie bei Britneys Verlassen einer Limousine ein Teleobjektiv bemerkte, dass sie kein Höschen trug. Der Scheidungsprozess mit ihrem zweiten Ehemann, einem ehemaligen Backgroundtänzer und Vater zweier gemeinsamer Kinder, sorgte für Rotkreuz-, Polizei- und diverse Einsätze des Jugendamts. Die fernsehdiagnostiziert Durchgeknallte weigerte sich immerhin hysterisch, ungünstig für sie gefällte Sorgerechtsurteile anzuerkennen.

Britneys Eislaufmutter, eine Frau, die unsere Heldin schon mit elf Jahren als Kinderstar in den US-TV-Kanal Disney Club pushte, ging in Talkshows und erzählte freimütig aus dem Leben einer gebeutelten White-Trash-Familie. Und überhaupt tat sich zwischen psychiatrischer Notaufnahme und den Hauptnachrichten des US-Fernsehens einiges, um von der Musik je nach Lesart abzulenken - oder diese gerade damit in die mediale Aufmerksamkeit zu befördern.

Ein Triumph des Zynismus

Die Musikindustrie kränkelt an ihren Absatzzahlen. Keiner da, der sie noch hört. Warum nicht Künstler über ihre Krankheit in die Verkaufsauslage befördern? Britneys Ende 2007 veröffentlichtes aktuelles Album Blackout weist nicht nur im Titel darauf hin, dass selbst diese pervertierte Werbetechnik locker von null auf eins in den internationalen Charts schießen kann. Ihr jetzt dreifach bei den MTV Awards preisgekröntes Video Piece of Me verhandelt exakt jene Geschichte, mit der ihr vermeintlicher Niedergang öffentlich besiegelt werden sollte. Die Totgesagte ist heute größer denn je. Ein Triumph des Zynismus. (Christian Schachinger/ DER STANDARD/Printausgabe, 09.09.2008)