Gerd Langguth, Politologe

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Sie müsse die Linke versöhnen, während Merkel von ihrem Kanzlerbonus profitiere. Mit ihm sprach Birgit Baumann.

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STANDARD: Woran scheiterte Beck?

Langguth: Er wollte Landes- und Bundespolitiker zugleich sein und war in Mainz von Berliner Entscheidungen zu weit weg. Auch machte er der SPD, besonders in der Frage des Umgangs mit der Linken, keine klaren Vorgaben, sondern schwankte hin und her.

STANDARD: Wie lange hält Müntefering diesmal als SPD-Chef durch?

Langguth: Er ist jetzt der zehnte SPD-Chef innerhalb der vergangenen zwanzig Jahre, und es ist eine Herkulesaufgabe zu bewältigen. Er muss eine Brücke zu den Linken in der SPD schlagen, weil er und Vizekanzler Steinmeier ja zwei "Schröderianer" sind, die den Reformkurs fortsetzen wollen. Aber mit den Parteilinken wird es für ihn nicht einfach werden.

STANDARD: Was kann er ihnen bieten, damit sie seinen Kurs nicht weiter torpedieren?

Langguth: Er müsste eigentlich die Position des Generalsekretärs mit einem Linken besetzen. Aber das geht ja nicht, weil das Streben der Linken nach diesem Posten 2005 der Grund für seinen Rücktritt als Parteichef war. Im Moment ist es nicht absehbar, wie er mit ihnen umgeht. Man muss den Sonderparteitag abwarten. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass die Linken der SPD jetzt freiwillig das Feld räumen werden.

STANDARD: Außenminister Steinmeier ist wie jeder seiner Vorgänger sehr beliebt. Reicht das als Qualifikation für die Kanzlerkandidatur?

Langguth: Nein. Ich denke, er wird es sehr schwer haben. Steinmeier war nie ein Wahlkämpfer. Er ist der Typ effizienter, hoher Beamter, tut sich aber mit parteipolitischen Zuspitzungen schwer, obwohl er ein sehr erfahrener Mann ist, er war ja unter Schröder Kanzleramtschef.

STANDARD: Künftig erwartet man von ihm aber deutliche Stellungnahmen zu allen möglichen Themen, nicht nur zur Außenpolitik.

Langguth: Zu Recht. Das Klima in der Koalition wird dadurch rauer werden. Aber sie wird, wie geplant, bis zum Herbst 2009 halten. Derzeit gibt es keine klaren Alternativen. Außerdem wird bei einer Wahl der abgestraft, der die Koalition zuerst verlässt.

STANDARD: Hat Steinmeier gegen Merkel überhaupt eine Chance?

Langguth: Aus heutiger Sicht ist Steinmeier der einzige Rettungsanker für den Wahlkampf. Aber Merkel wird ihren Kanzlerbonus voll ausspielen. Wenn die Wahl für die SPD verlorengeht, dann wird sich Steinmeier nicht halten können. Er wird feststellen müssen, dass Parteilinke wie Hessens Landeschefin Andrea Ypsilanti oder Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit bald auf ihn und Müntefering folgen. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.9.2008)