Der gebürtige Österreicher Gustav Baldauf ist seit Anfang 2008 im Vorstand der russischen Air Union. Deren schlimme Turbulenzen müsse man nun "schnellstmöglich" bekämpfen, sagt er.

Foto: Regine Hendrich

Russische Airlines könnten durchaus interessante Partner für die AUA sein, meint der Manager der russischen Air Union, Gustav Baldauf. Bei deren Sanierung dränge nun aber die Zeit, erklärte er Kurt Hofmann.

STANDARD: Die russische Air Union ist eigentlich bankrott. Nun soll in neun Monaten mittels einer staatlich kontrollierten Airline-Holding, bestehend aus bis zu neun Fluglinien, eine neue große Gesellschaft aufgebaut werden ...

Baldauf: Ich hoffe, dass eine Lösung gefunden wird, die gut für den russischen Markt ist. Als westlicher Manager bei Air Union habe ich schon seit langem gefordert, dass schneller Entscheidungen getroffen werden. Die Zeit drängt, und eine Lösung ist schnellstmöglich zu treffen. Durch die schlechte finanzielle Situation der Air Union wurde nun von deren Mehrheitseigentümer Russian Technologies (51 Prozent Anteil an Air Union; Anmerkung) dieses Projekt eingeleitet.

STANDARD: Die russische Regierung wirft Air Union Missmanagement vor. Sind Sie als Vorstandsmitglied der Gesellschaft mitschuldig an dieser Misere?

Baldauf: Das sehe ich nicht so. Die Situation, in der sich Air Union befindet, war ja schon vor meinem Eintritt kritisch. Das war auch einer der Gründe, warum ich nach Moskau geholt wurde. Die Zeitspanne meiner Tätigkeit seit Februar dieses Jahres war einfach zu kurz, um die eingeleiteten Veränderungsprozesse richtig wirksam werden zu lassen Aber es wäre illusorisch zu glauben, eine russische Management-Kultur rasch ändern zu können, noch dazu, wo das bestehende Management in gewisser Weise beratungsresistent war. Verbesserungen greifen daher langsam.

STANDARD: Lufthansa und Austrian Airlines haben vergangenes Jahr den Aufbau einer Kooperation mit Air Union eingeleitet. Ist dieses Projekt jetzt gestorben?

Baldauf: Im Prinzip ist die Zusammenarbeit mit einer russischen Airline nicht gestorben. Nur, ob eine Kooperation mit einer Air Union in der derzeitigen Ausprägung funktioniert, das wage ich zu bezweifeln. Es wird jedoch eine Nachfolgelösung geben.

STANDARD: Sie kennen die AUA, die ja gerade privatisiert wird, aus Ihrer früheren Tätigkeit und wissen um die russische Luftfahrt Bescheid. Wird die Aeroflot oder die Fluglinie S7 die AUA kaufen?

Baldauf: Es gibt in Russland diesbezüglich verschiedene Kandidaten mit unterschiedlich westlicher Ausprägung und Professionalität. Aeroflot, die größte Airline des Landes, ist sicher am weitesten entwickelt, S7 auf gutem Wege dorthin. Und es werden weitere gute Fluglinien entstehen. Eine russische Fluglinie kann durchaus ein interessanter Partner für die AUA sein. Das setzt aber die interne Definition von Vision und Strategie der AUA für die Zukunft voraus. Das sollte vorher abgeklärt werden.

STANDARD: Der Beinah-Bankrott der Air Union trifft auch die nationale Fluglinie Ungarns, Malev. Sie steht ja zu 99,95 Prozent in Besitz der russischen Air Bridge, die zum mit 62 Millionen US-Dollar verschuldeten Air-Union-Partner KrasAir gehört.

Baldauf: Es gibt große Veränderungen in Russland, die von Putin vor Jahren angeordnet wurden. Aber all diese Veränderungsprozesse greifen erst jetzt richtig und werden daher auch die Verhältnisse zu westlichen Fluglinien beeinflussen – sei es nun in Form von Kooperation z. B. mit Austrian Airlines, oder Beteiligungen wie etwa an Malev.

STANDARD: Eigentlich sollte man meinen, dass für Fluglinien der Markt Russland, der einer der wichtigsten Wachstumsmärkte in der zivilen Luftfahrt ist, ein gutes Geschäft sein sollte. Ist dem so?

Baldauf: Ja, so ist es auch. Die Rahmenbedingungen sind für alle Fluglinien in Russland gleich. Es gibt hohe Treibstoffkosten und enorme Zölle auf westliches Fluggerät, aber eben auch einen riesigen Markt mit viel Potenzial.

STANDARD: Sie sind der einzige westliche Vorstand in einer russischen Fluggesellschaft. Was sind die größten Herausforderungen bei Ihrer Tätigkeit?

Baldauf: Sicher das sprachliche Problem. Das bezieht sich nicht nur auf Englisch/Russisch, sondern auch darauf, wie man formuliert und wie Dinge verstanden werden. Das neue Team, dem ich angehöre, hat untereinander ein gutes Einvernehmen und westliche Erfahrung – dies wurde aber vom bestehenden alten Management nicht immer genutzt. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.9.2008)