Eine der Kampagnen von LEFÖ: Als Sexarbeiterin wünsche ich mir das Recht auf Bildung.

LEFÖ

Sprachbarrieren, Angst, Isolation und Diskriminierung: "Migrantinnen in der Sexarbeit zögern oft, Organisationen, Institutionen oder Ämter aufzusuchen und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die ihre Gesundheit und die Gesundheit ihrer Kunden schützen", sagt Renate Blum vom Verein LEFÖ. Die Frauen erfahren eine Stigmatisierung als Migrantinnen und als Sexarbeiterinnen. Der Verein LEFÖ - Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen - arbeitet als erste Organisation in Österreich bereits seit 1991 im Bereich der Gesundheitsprävention für Sexarbeiterinnen aller Nationalitäten.

Der Anteil von Migrantinnen in der Prostitution beträgt heute in den meisten EU-Staaten über 50 Prozent. In Österreich sind es 70 bis 80 Prozent. Die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen ist groß, der Umgang mit den Sexarbeiterinnen jedoch scheinheilig, wie der Verein LEFÖ betont. Für viele migrantische Sexarbeiterinnen ist die Schwelle sehr hoch, Hilfe von Einrichtungen und Behörden anzunehmen. "Diese Frauen haben vielleicht die Erfahrung gemacht, dass von Behörden selten etwas kommt und wenn, dann nichts Gutes", sagt Sozialarbeiterin und Kulturelle Mediatorin Adrienne Pall-Kaiser.

Nicht nur die gleiche Sprache sprechen

Um die Frauen besser zu erreichen, entwickelte LEFÖ mit anderen Organisationen das Konzept der kulturellen Mediation. "Kulturelle Mediatorinnen sind nicht nur Übersetzerinnen. Sie verfügen über ein breites Wissen zu rechtlichen, sozialen und gesundheitlichen Fragen, sowie Auseinandersetzung zu Stigmatisierung und Diskriminierung", erkärt Renate Blum. Ihnen sind Regeln und Rechte sowohl im Herkunftsland, als auch im Zielland geläufig. Das vereinfacht und beschleunigt die Arbeit. "Wenn etwa von Institutionen gesprochen wird, weiß die Kulturelle Mediatorin, welche Vorstellungen und Bilder die Sexarbeiterin davon hat."

Pall-Kaiser beschreibt, wie die Frauen von LEFÖ ihre Klientinnen finden: "Wir machen aufsuchende Arbeit und gehen zum Beispiel in Bars, Clubs oder Bordelle. Wir verteilen Informationsmaterial, Kondome und Gleitmittel. Bei schwerwiegenden Problemen besteht die Möglichkeit von vertraulichen Beratungsgesprächen." Der Verein berät neben Deutsch in zehn weiteren Sprachen: Bulgarisch, Englisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Slowakisch, Spanisch, Thai, Tschechisch und Ungarisch.

Nicht nur Pflichten, auch Rechte

Wichtig sei es, den Verein immer wieder ins Bewusstsein der Frauen zu bringen, so Pall-Kaiser: "Neue Frauen in der Sexarbeit wissen oft nicht, dass es Organisationen gibt, die für ihre Rechte eintreten." Neben der aufsuchenden Arbeit gibt es intensive Kleingruppenarbeit mit wechselnden inhaltlichen Schwerpunkten, wie zum Beispiel Verhütung, safer sex, HIV oder Sicherheit in der Arbeit. Dass das Angebot sehr gut angenommen wird, zeigt, dass Bedarf besteht.

Der Bereich "Migrantinnen in der Sexarbeit" wird zu einem großen Teil von der EU (über das Prostituiertenrechts-Netzwerk TAMPEP) finanziert, Kofinanzierung hat das Gesundheitsministerium übernommen. Ebenso hat im Jahr 2008 das Bundeskanzleramt:Frauen eine Zusatzfinanzierung übernommen. "Doch die finanziellen Mittel sind viel zu gering sind, um dem Bedarf entsprechend zu agieren", sagt Blum.

Expertinnen ihres eigenen Lebens

Pall-Kaiser ist im Gespräch mit derStandard.at noch ein Punkt wichtig: "Die Frauen können selbst bestimmen. Wir wollen nicht suggerieren, sondern bieten reine Beratung für ihre jeweilige Situation an. Denn die Frauen sind Expertinnen ihres eigenen Lebens." Und dennoch, Frauen, die ihre Herkunftsländer verlassen müssen, sehen sich in Österreich oft gezwungen ganz von vorne anzufangen. Die Frauen hätten zum Teil bessere Ausbildungen, als ihnen in Österreich anerkannt werden, meint Pall-Kaiser aus ihrer jahrelangen Erfahrung: "Meine Meinung ist, dass sehr viele humane Ressourcen verborgen bleiben". (Julia Schilly, derStandard.at, 7. September 2008)