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Der mächtige Politbürochef der Armee Jo Myong-rok, Kims Sohn Jong-nam und Nordkoreas Nummer zwei, Kim Yong-nam (von li.).

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Ein Nationalfeiertag in Pjöngjang ohne Kim Jong-il, dafür aber mit dem Bildnis seines Vaters, des "Großen Führers" Kim Il-sung.Foto: AP

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Die Gerüchte um eine schwere Erkrankung von Nordkoreas Führer Kim Jong-il haben Südkoreas Regierung in Alarmbereitschaft versetzt. Denn ein Tod des Führers würde unabsehbare Folgen für die Stabilität des kommunistischen Regimes und damit für die Sicherheit Ostasiens haben. "Alle unsere Beamten sind sehr damit beschäftigt, so viele Informationen wie möglich zu sammeln" , sagte gestern Südkoreas Wiedervereinigungsminister Kim Ha-joong am Mittwoch vor dem Parlament. Sein Ministerium sei "in Hochalarm" .

Auslöser der Hektik sind ungewöhnlich deutliche Indizien, dass der schon oft totgesagte nordkoreanische Führer diesmal wirklich erkrankt sein könnte. So hatte der Herr über 23 Millionen weitgehend von der Welt abgeschottete Nordkoreaner am Dienstag nicht an der großen Parade zum 60. Gründungstag Nordkoreas teilgenommen. Dies sei "höchst ungewöhnlich" , sagte ein Sprecher des Wiedervereinigungsministeriums.

Dies hatte Berichte südkoreanischer Diplomaten bekräftigt, nach denen Kim im August einen Schlaganfall erlitten haben soll. Nach neuesten Informationen soll er allerdings am Leben sein. Nur Nordkoreas Nummer zwei, Kim Yong-nam, dementierte: "Es gibt kein Problem" , erklärte er gegenüber der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo.

Überraschen würde Kims Erkrankung allerdings nicht. Schon lange soll Kim wegen kräftigen Konsums von Cognac und Zigarren an chronischen Herzerkrankungen leiden. Brisant wird die Lage dadurch, dass niemand weiß, wer nach Kim den Finger am Abschussknopf für Nordkoreas Kurz-, Mittel- und Atomraketen haben wird. Denn Nordkoreas Führungsstruktur ist erstens extrem auf die Familiendynastie Kims zugeschnitten und zweitens undurchsichtig.

Kim übernahm die Herrschaft 1994 von seinem Vater und Landesgründers Kim Il-sung, der in der Propaganda eine gottähnliche Stellung hat. Seine Herrschaft stützt er auf das 1,2 Millionen Soldaten starke Militär, dass sich allerdings bei einem ernsten Konflikt um die Nachfolge spalten könnte. Als mögliche Nachfolger aus der Familie werden drei Kim-Söhne gehandelt und sein 62-jähriger Schwager Chang Song-taek.

In einem Bericht, den das Koreanische Institut für Verteidigungsanalyse für die US-Regierung erstellt hat, gilt als wahrscheinlichste Lösung, dass sich eine kollektive Führung bilden wird. Das Militär würde im Hintergrund dominieren, ein Mitglied des Clans nach außen führen. Einige der Wissenschafter des Instituts meinen sogar, dass sich die Führungsstruktur bereits zu Kims Lebzeiten ändern wird. Für die meisten der Wissenschafter ist der 26-jährige und wie seine Brüder in Schweizer Internaten ausgebildete Jong-chol der Favorit, weil er als der Liebling des Führers gilt.

Kims ältester Sohn Jong-nam (37) und der Schwager Chang folgen allerdings nicht allzu weit entfernt. Denn sie haben sich schon eine größere Machtbasis aufbauen können. Jong-nams Problem ist, dass er beim Vater 2001 in Ungnade gefallen sein soll. Damals wurde er in Japan inhaftiert, als er mit gefälschtem Reisepass einreisen und das Disneyland in Tokio besuchen wollte. (Martin Koelling aus Tokio/DER STANDARD, Printausgabe, 11.9.2008)