London/New York/Wien - Aus Angst vor einer weltweiten Rezession sind viele Anleger am Freitag aus dem Rohstoffmarkt ausgestiegen. US-Leichtöl und die Nordseesorte Brent, Preisführer in Europa, verbilligten sich trotz unerwartet niedriger Lagerbestände in den USA um gut einen Dollar auf 106,84 Dollar (74,99 Euro) bzw. 105,25 Dollar je Fass (159 Liter). Der Euro rutschte unter die Marke von 1,42 Dollar und damit auf den niedrigsten Stand seit vorigem Oktober.

"Es findet eine Umschichtung statt", sagte Rainer Wiek vom Hamburger Energie Informationsdienst (EID) dem Standard. Geld, das nach dem Niedergang der Aktienmärkte in rauen Mengen in Ölkontrakte geflossen ist, werde abgezogen und in neue, lukrativere Veranlagungen gesteckt.

"Der Rückgang beim Ölpreis von fast 150 Dollar im heurigen Juli auf aktuell weniger als 110 Dollar je Fass ist in großem Maß auch das, was an spekulativer Übertreibung drin war", sagte Wiek. Die Konjunkturdaten seien nicht rosig, Anlagen in Öl folglich auch nicht mehr so interessant. Wiek: "Große Fonds reagieren relativ schnell darauf und schichten um." Ein Zeichen dafür sei, dass es an den Börsen aufwärts gehe und der Dollar an Attraktivität gewinne.

Tonne Kupfer unter 7000 Dollar

Umschichtungen spielen sich auch bei anderen Rohstoffen ab. So ist der Preis für eine Tonne Kupfer am Freitag unter die psychologisch wichtige Marke von 7000 Dollar gefallen. Kupfer war damit so billig wie seit sieben Monaten nicht mehr. Das unter anderem für Stromkabel benötigte Metall wurde nach Angaben von Händlern zusätzlich vom stärksten Tagesplus bei den Lagerbeständen an der Londoner Rohstoffbörse LME seit vier Jahren belastet.

"Der Anstieg war für einige Leute eine Überraschung", sagte ein Händler der Agentur Reuters. "Als sie das gesehen haben, sind sie in Panik geraten." Es gebe zudem Gerüchte, dass weitere große Kupfermengen auf den Markt drängten.

"Der Pessimismus bezüglich der Weltwirtschaft überschattet die Rohstoffmärkte weiterhin", schreiben die Analysten von Barclays Capital. Der Kapitalfluss in rohstoffgebundene Produkte sei auf dem niedrigsten Stand seit zwei Jahren.

Nach Beobachtung diverser Analysten agieren Anleger beim Eingehen riskanter Positionen derzeit extrem vorsichtig. Es könnte eine Weile dauern, bis der Markt seine Zuversicht zurückgewinnt und die Fonds wieder Kapital in Rohstoffe umschichten. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6./7.9.2008)