Der neue Gouverneur der OenB, Ewald Nowotny, hat seinen "Traumjob" gefunden und jede Menge Pläne. An vorderster Stelle steht die Inflationsbekämpfung, die er koordinieren möchte (siehe Artikel)

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Mit dem neuen Nationalbank-Chef sprach Renate Graber.

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STANDARD: Sind Sie stolz, der erste Sozialdemokrat an der Spitze der OeNB zu sein?

Nowotny: Diese Frage spielt überhaupt keine Rolle. Das Prinzip einer Notenbank ist Unabhängigkeit.

STANDARD: Sie wollen den Proporz vertreiben, wie geht das in einem Institut, das zu 70 Prozent dem Staat gehört?

Nowotny: Da muss man unterscheiden: Die Besetzung der Notenbank-Spitze steht in jedem Land der Welt unter politischem Einfluss. Aber in den Ebenen darunter soll Politik keine Rolle spielen. Was nicht ausschließt, dass sie es in der Vergangenheit tat; ich bin ja nicht naiv.

STANDARD: Bei der Inflationsbekämpfung plädieren Sie für einen "big bargain" , einenDeal zwischen Politik und Sozialpartnern. Den gab es 1967, die Regierung zog eine Steuerreform vor, machte Sozialreformen, die Gewerkschaft dämpfte ihre Forderungen und hielt still. Was genau wollen Sie wann tun?

Nowotny: Man soll sich nach der Wahl zusammensetzen und die Chancen eines kleinen Landes nützen: die Kooperation mit der Sozialpartnerschaft, die Dialogfähigkeit der Interessenvertretungen mit der Regierung. Und die Überschaubarkeit, etwa in der Wettbewerbspolitik:Der Nahrungsmittelmarkt etwa wird von wenigen Großen beherrscht, also wissen wir, welche Akteure wir einbeziehen müssen.

STANDARD: Und die OeNB ist Schiedsrichter?

Nowotny: Nein, wir sind nicht Richter, aber wir können bestimmte Punkte dank unserer Analysen empirisch außer Streit stellen. Wir können die Folgen bestimmter Maßnahmen beziffern. Gemäß des Spruchs: "A gentleman should agree about facts" . Dann kann man vernünftig streiten.

STANDARD: Was brächte eine Halbierung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel?

Nowotny: Wenn die zu Preissenkungen führte, würde die Inflation um 0,3 Prozentpunkte sinken.

STANDARD: Sie sagen, dass in Wahlkampfzeiten nicht eben die Vernunft herrscht. Glauben Sie an vernünftige KV-Verhandlungen?

Nowotny: Als Ökonom setze ich auf Eigeninteresse. Es ist im Interesse aller Beteiligten, auf Stabilitätseffekte zu achten: Jeder Gewerkschafter weiß, dass der Gewerkschaft Geldlohnsteigerungen gar nichts bringen, wenn der Reallohnwert durch eine folgende Inflationserhöhung wieder sinkt. Genauso hat die Industrie Interesse an Preisstabilität, oder, ganz besonders, die Pensionisten. Die Preisstabilität hat einen positiven Effekt für die Gesamtwirtschaft; daher muss man sie gemeinsam durchsetzen. Einer allein kann das nicht, wenn er nicht weiß, wie der andere reagiert.

STANDARD: Wie sehr alarmiert Sie Inflation und Flaute?

Nowotny: Die Inflationsrate ist viel zu hoch, wir müssen Zweitrundeneffekte verhindern. Wir haben zwar keine Rezession, aber eine sehr langsame Wirtschaftsentwicklung mit dem Risiko, dass es noch negativer wird. Der Spielraum fürs Budget wird enger: Mit willkürlichen Ausgabenerhöhungen, Steuersenkungen muss man jetzt vorsichtig sein.

STANDARD: Keine Steuerreform also?

Nowotny: Man kann eine Steuerreform nicht nach Kalender machen, sondern nur im gesamtwirtschaftlichen Umfeld. Die OeNB wird dieEntwicklungen unter Stabilitätsaspekten beobachten - und notfalls kommentieren.

STANDARD: Haben Sie hier Ihren Traumjob gefunden?

Nowotny: Ja. Für jeden praktisch orientierten Ökonomen ist es das Interessanteste, was man machen kann.