Eine "Honorary Mention" in der Cyber-Arts-Kategorie "Hybrid art" hat Alexander Ponomarevs Beamer/Aquarium-Kombi bekommen.

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Linz - Früher, bestätigen einander die Veteranen gerne in ihrer Doch-noch-Existenz im Hier und Jetzt, war alles besser. Früher, da wurde am Linzer Hauptplatz etwa noch ganz öffentlich die Fertilität überprüft. Und nicht nur das, bei so einem "Sperm-Race" der Ars Electronica blieb am Ende ja doch ein Sieger übrig, der Zuchtbulle. Sicher, wegen des grassierenden Datenschutzes durfte man den nicht beim Namen nennen, aber immerhin, es ging noch sehr handgreiflich um die Fruchtbarkeit. Und um die Zukunft.

Zumindest hat keiner der Kerle, die im Container vor dem Hotel Wolfinger der Wissenschaft zuliebe ausnahmsweise selbst Hand an sich gelegt haben, nur um vom Schnelllabor vor Ort eine spermiable Unbeweglichkeit attestiert zu bekommen, nachher von jener Metaebene berichtet, um die es eigentlich ging. Diesen Mutigen war zu Hause dann völlig wurscht, ob sie nun daran mitgewirkt haben, das ewig Kompetitive kritisch aufzubereiten, sie waren einfach nur traurig, fanden sich in einem Kurzschluss von Wurzel und Übel wieder, den zu fliehen vielen bis heute nicht gelungen ist. Veteranen eben, Verlassene, Helden, die der Fortschritt eben genauso zwangsläufig produziert, wie er sie ad acta legt.

Heuer ist am Hauptplatz vergleichsweise wenig los, wenig Außergewöhnliches. Ein Radio-Container zum schwellenangstlosen Reingehen fällt nicht wirklich jemandem auf, und die Gastronomie war immer schon interaktiv. Und Datenspeicher, ob groß oder klein, na ja. Also jetzt im Vergleich: 2006 noch konnte man dort kampfradelnd partizipatorisch sein und derart dynamogestützt den Mond aufgehen lassen; und einst, wenn die Erinnerung nicht ver-"virt" ist, ließ sich auch die Fassade der Kunstuniversität Linz so avanciert besteigen, dass irgendwo anders ein (wenn schon nicht einem) Licht aufging.

Aber heuer: Der Hauptplatz, die Linzer, die Gäste, die Ars - alle haben sie ganz offensichtlich ihre Unschuld verloren. Abgebrüht stellt jeder sich der herbstlichen Interaktion, auch noch die ältesten Linzer haben inkorporiert, was es heißt, ein Interface zu sein.

Und dennoch: Mother-Earth-Two lebt, selbst wenn sich in ihrem Inneren keine eintönigen Sandwesen materialisieren, sondern, ganz weltlich, Geschäfte gemacht - Navigationssysteme für VDO entwickelt und Anwendungen für die Voestalpine Stahl nutzbar gemacht - werden.

Ohne die Oberfläche Festival geht's ja doch nicht. Immer noch (oder mehr denn je) gilt die Verankerung im Kunstschaffen und damit im Feuilleton als unverzichtbar. Obwohl das Festival selbst längst dort gelandet ist, versteht es die Arbeit an so etwas wie Ästhetik leider als unverzichtbaren Teil seines Brandings. Auch wenn die tradierten Reagenzgläser, wie sie heuer zur Abwechslung im Keller des Lentos-Kunstmuseum mit viel Grottenbahn-Effekt rundherum zur Aufstellung gebracht wurden, bloß noch mit viel Vorwissen und ei- ner ausführlichen Gebrauchsanweisung halbwegs sinnstiftend einzuordnen sind.

Immer wieder Cyber-Arts

Aber, wie beschreibt Christoph Santner, Innovationsexperte, die Zeit, in der wir leben: "Zeitalter des Spielens". Und also gilt es für Meinungsschwächere eben mitzuspielen. Und was schon stärkt Meinung mehr als ein Text, was bringt mehr auf Schiene denn ein superclever gemachter Katalog.

Linz und die Ars sind miteinander untrennbar verbunden, sind auf ewig hungrig nacheinander, bilden das Kollektiv aus, das Christoph Santner für "auf Dauer unschlagbar" hält. "A new Cultural Economy" ist nicht länger mehr durch Unkenrufe aufzuhalten. Egal, wann die Linzer Oper fertig werden wird, das neue Haus der Ars wird pünktlich zum europäischen Hauptstadtjahr fertig sein.

Als Ort, um zum einen Rückschau zu halten auf die pflegeintensiven Hinterlassenschaften der Veteranen; und zum anderen, um die Spielregeln je neu zu definieren. Das Modell, das Festival als Kreativpool mit der Wirtschaft zu einen; als Ort, der alle Beteiligten als Gleichberechtigte plakatiert, den Medienkünstler als Idealtypus des Weltreisenden, als Wissensüberträger auf Einladungstrip, als produktiven Virus sieht.

Und Cyber-Arts wird's immer geben: ästhetisch mehr oder weniger anspruchsvolle Installationen, deren Zweck es ist, Beteiligung zu suggerieren, Anteilhabe vorzutäuschen, wo längst kein Funken Hoffnung mehr besteht, den technologischen Hintergrund auch zu begreifen. Die "Interaktion" der Linzer Schule unterscheidet sich vom Lunapark bloß durch den Geruch. Die Pommes fehlen, ansonsten ist "Mitmachen" auch hier oberstes Ziel: Jahr für Jahr wechseln Lampen ihre Farbe; kaum dass man sich bewegt, springen Beamer an; sobald man mit der Wimper zuckt, sorgen empfindlichste Sensoren für unvergessliche Momente des Erstaunens. Schön, dass alles machbar ist; bis hin zum je zeitgemäßen Retroschick. Wesentlich ist bloß die Haltung: "Es geht voran!" - Und die passenden Geschichten dazu werden professionell gemacht. Schlampig war gestern. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 06.09.2008)