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"Mir wird angst und bange um Österreich, wenn dieser Kurs fortgesetzt wird. Denn: wo soll das enden, außer mit dem Zorn der Bürger? Mit einer Politikverdrossenheit, einem Abwenden von der Politik und einem Hinwenden zu autoritären Lösungen? Mit Unregierbarkeit? Davor warne ich".

Foto: APA/Hochmuth

"Wir haben Presse- und Meinungsfreiheit". Josef Cap will die Berichterstattung der Kronen Zeitung zur SPÖ im Interview mit derStandard.at nicht kommentieren. Warum er vor weiteren fünf Jahren Schüssel warnt, wieso eine Minderheitsregierung nie das Ziel sein kann und warum auch andere Kostellationen abseits von Großen Koalitionen "Großes" vollbringen können, darüber sprach Cap mit Saskia Jungnikl.

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derStandard.at: In der Wahlkampfhymne der SPÖ (Fleetwood Mac; "Don't Stop") heißt es "Yesterdays gone". Kann man daraus schließen, dass die Zeit der Koalition mit der ÖVP endgültig vorbei ist?

Josef Cap: In einer Wahlbewegung bemüht man sich, die Wählerinnen mit Zukunftsprojekten zu überzeugen. Da wird nicht über Koalitionen nachgedacht. Das ist nicht relevant.

derStandard.at: Vielleicht, wenn die Partei keine Geschichte hat und quasi ohne Vergangenheit in den Wahlkampf startet. Dem ist aber nicht so.

Cap: Natürlich haben wir erkannt - und das wurde uns ja auch oft genug mitgeteilt - dass viele, die uns das letzte Mal gewählt haben, gesagt haben: Wie ist das jetzt mit dem Wahlprogramm, mit den Versprechen, wie wird das anders sein als das letzte Mal. Wir haben uns bemüht, über den Sommer mit dem Koalitionspartner in wichtigen Punkten zur Teuerungsbekämpfung eine Einigung zu erzielen. Die ÖVP war dazu nicht im Stande und auch nicht Willens. Zu diesem 5-Punkte-Paket ist zu sagen: Wir sind wirklich gewillt, das schon vor dem Wahltag umzusetzen und das Vertrauen der Wähler damit zurückzugewinnen.

derStandard.at: Die SPÖ liegt in Umfragen ein bis zwei Prozentpunkte vor der ÖVP. Sollte Sie gewinnen, stellt sich die Frage: mit wem koalieren? Mit der ÖVP geht's nicht, mit FPÖ und BZÖ wollen sie nicht und mit den Grünen wird es sich nicht ausgehen.

Cap: Wir wollen vor den Wahlen keine Diskussionen über mögliche Koalitionen führen. Das hat keinen Sinn. Gewählt werden soll eine Partei und keine Koalition. Nach dem Wahltag werden wir sehen, wie wir unsere Anliegen und Versprechen - ob in einer allfälligen Wiederholung einer Großen Koalition oder auch in einer anderen Konstellation - am besten durchsetzen können. Wobei Dreierkoalitionen in Österreich keine Tradition haben und wie ich höre auch nicht erwünscht sind. Wir werden sehen, wie der Wähler entscheidet.

derStandard.at: Gut, aber Sie sind Klubobmann der SPÖ, in drei Wochen sind die Wahlen. Sie werden doch über mögliche Koalitionsvarianten nachdenken?

Cap: Ja, aber wir denken doch nicht die ganze Zeit darüber nach, was sein könnte. Um zu sagen, wie die Konstellation nach der Wahl sein wird, da fehlen mir noch die prophetischen Gaben. Ich arbeite zwar daran sie zu erwerben, aber bis jetzt hab ich sie noch nicht.

derStandard.at: Dann gehen wir sie konkret durch: Wie wäre die Unterstützung durch die FPÖ bei einer SPÖ-Minderheitenregierung?

Cap: Eine Minderheitsregierung ist doch nie ein Ziel. Sie ergibt sich lediglich aus einer Situation, wie sie in den 70er Jahren war - als Übergangsregierung für später. Ich glaube, dass die Österreicher eine stabile Regierung wollen, die ihren Job macht und ihre Interessen vertritt.

derStandard.at: So eine stabile Regierung hatten wir in den vergangenen Jahren und ihren Job gemacht hat sie nicht gerade, oder?

Cap: Die war nicht stabil. Arithmetisch hätte sie das sein müssen. Aber die ÖVP, die 48.000 Stimmen hinter uns war, hatte den Plan destruktiv zu wirken, den Führungsanspruch der SPÖ zu erschüttern, den Kanzler zu demontieren und möglichst bald Neuwahlen herauszuholen. Jetzt werden wir sehen, ob die nächste Führung der ÖVP hier eine andere Strategie verfolgt. Denn die vergangene ÖVP-Führung agierte nicht im Interesse der Österreicher. Sie wollte nur die Große Koalition in Misskredit bringen. Damit will ich nicht sagen, dass nur die Große Koalition in Frage kommt. Auch andere Konstellationen könnten Großes vollbringen.

derStandard.at: Das heißt, die schlechte Bilanz der vergangenen Regierungsperiode ist ausschließlich die Schuld der ÖVP?

Cap: Die ÖVP hat ja schließlich die Neuwahlen ausgerufen und damit die Zusammenarbeit beendet. Alles was die ÖVP 18 Monate lang blockiert hat, lässt sie jetzt in den Wahlkampf einfließen. Können Sie mir erklären, was das für ein Konzept ist? Das nimmt der Politik die Ernsthaftigkeit.

derStandard.at: Wolfgang Schüssel hat angekündigt, er will nach den Wahlen Klubobmann bleiben. Ist das nicht die denkbar schlechteste Vorraussetzung für eine mögliche Neuauflage der Großen Koalition?

Cap: Naja, in den vergangenen 18 Monaten haben Schüssel und Molterer als Strategen einen bestimmten politischen Kurs geprägt. Diese Strategie der Blockade steht am 28. September zur Abstimmung. Und da wird man sehen, ob die ÖVP-Strategie von den Wählern unterstützt wird oder nicht. Aber das ist dann Sache der ÖVP, ob sie den Kurs weitergeht.

derStandard.at: Und wie sehen Sie persönlich fünf weitere Jahre Schüssel?

Cap: Mir wird angst und bange um Österreich, wenn dieser Kurs fortgesetzt wird. Denn: wo soll das enden, außer mit dem Zorn der Bürger? Mit einer Politikverdrossenheit, einem Abwenden von der Politik und einem Hinwenden zu autoritären Lösungen? Mit Unregierbarkeit? Davor warne ich.

derStandard.at: Zu einem anderen Thema: Haben Sie schon einmal einen Leserbrief an die Kronen Zeitung geschrieben?

Cap: Die Leserbriefseiten der Krone zählen zu den meist gelesenen. Es ist eine Art Bühne für die Bevölkerung, wo sie ihre Meinung kundtun kann. Ich kann nicht im Detail sagen, wann ich an wen Leserbriefe geschrieben habe. Aber in meiner langen politischen Karriere habe ich schon Leserbriefe geschrieben, um mich an internen Debatten zu beteiligen. Mein letzter war, als ich gemeint habe, Marathonlaufen macht nicht krank. Das habe ich an ein Magazin geschickt, weil es darin eine Geschichte gab, die hat das behauptet. Ich bin gegenteiliger Meinung, laufe auch jedes Jahr beim Wien-Marathon mit und habe das auch noch weiter vor.

derStandard.at: Haben Sie ein Krone-Abo?

Cap: Wir haben hier im Büro Abos der wichtigsten Tageszeitungen und Magazine Österreichs und deshalb habe ich kein persönliches.

derStandard.at: Sind Sie der Meinung, dass die Krone in den vergangenen Wochen die richtigen Inhalte transportiert hat?

Cap: Wir haben Presse- und Meinungsfreiheit. Es steht also jeder Zeitung, jedem Magazin und selbstverständlich auch dem ORF frei zu berichten, was sie für richtig erachten. Ich respektiere das und kommentiere das daher auch nicht.

derStandard.at: Die ÖVP plakatiert "Ohne Deutschkurs keine Zuwanderung". Was halten Sie davon?

Cap: Das Angebot an Deutschkursen gibt es schon. Wahrscheinlich ist der ÖVP das Plakat von einem der vorangegangenen Wahlkämpfe über geblieben. Sie haben schließlich weniger Geld, weil es Landesorganisationen gibt, die für diesen Wahlkampf nichts zahlen wollen. Das ist ein sehr interessanter Vorgang. Daraus kann man Schlüsse ziehen: entweder glauben die ÖVP-Landesorganisationen, es hat ohnehin keinen Sinn mehr, oder sie glauben, für diese Art des Wahlkampfes wollen sie nichts zahlen, oder ihnen sind die Landtagswahlen wichtiger oder sie meinen, für diesen Spitzenkandidaten wollen sie nichts zahlen. Das ist Aufgabe des investigativen Journalisten das heraus zu finden. Nicht meine. (Saskia Jungnikl, derStandard.at, 8.9.2008)