Cover: Schall & Wahn

Keine Minute Fadesse, sondern Ohrenkino at its best. Charles Dickens' Schlüsselroman wird hier nicht in zurechtgestutzter Kurzfassung von einer einzelnen Stimme vorgelesen, sondern als regelrechtes Ohrentheater inszeniert. Das ist ein rares Vergnügen, und es mag natürlich daran liegen, dass dieses Hörspiel höchst aufwändig in einer Zeit vom WDR produziert wurde, als das Fernsehen noch eine untergeordnete Rolle spielte.

Über 40 Schauspieler waren im Jahr 1957 damit beschäftigt, dem Roman akustische Färbungen zu verleihen, und es ist trotz der gelegentlich erstaunlich falschen Aussprache des Englischen ein Genuss, zu erleben, wie diese Herrschaften ihre Stimmen zu Instrumenten machen konnten. Besonders hervorzuheben: Trudik Daniel als Tante Betsey und Richard Münch als Wilkins Micawber. Keine Szene wirkt gekünstelt, und wenn es kalt wird in London, frieren die Hörer mit. Der Einsatz erforderlicher Zwischengeräusche ist spartanisch und beschränkt sich auf ein Minimum an gelegentlichem Gläserklirren oder Meeresrauschen. Auch das tut inmitten des Getöses zeitgenössischer Literatur- und Kulturevents gut. Die Erwachsenenepisoden des David Copperfield wurden zwar gekürzt, doch nie ging dabei der Faden verloren. Empfehlenswert für Große und Kleinere an den bevorstehenden langen Kaminfeuer-Winterabenden. (Ute Woltro, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 06./07.09.2008)