Libyen ist der Schauplatz eines wahrhaft beeindruckenden Falls von politischer Schurken-Rehabilitation. Für den ersten Besuch eines US-Außenministers seit John Foster Dulles im Jahr 1953 würde die Bekehrung des Obersten Muammar al-Gaddafi - den US-Präsident Ronald Reagan einmal als "tollwütigen Hund" bezeichnete - alleine jedoch nicht ausreichen. Condoleezza Rice betritt in Libyen Boden, unter dem die neuntgrößten Erdölreserven der Welt nachgewiesen wurden. Und weite Teile des Landes sind nicht exploriert.

Um den Vorsprung einzuholen, den europäische Firmen in Libyen haben, kann schon einmal die Außenministerin ins Beduinenzelt Gaddafis bemüht werden. Über kleine Betriebsunfälle auf dessen Weg zur Heiligkeit - wie die jüngste Prügelaffäre des Gaddafi-Sohnes Hannibal in der Schweiz, in deren Zug Schweizer Bürger in libysche Gefängnisse wanderten - sehen ja nicht nur die Amerikaner höflich hinweg.

In Libyen werden jetzt auch die politischen Weichen für die Zukunft gestellt. Gaddafi-Sohn Saif al-Islam, der lange als der kommende Mann galt, hat seinen Rückzug aus der Politik verkündet - und das dürfte den USA recht sein, die seine allzu guten Islamisten-Kontakte und internationalen Aktionen, eine davon im Irak, mit Misstrauen beobachten. Die Art der Ankündigung lässt darauf schließen, dass die Diadochenkämpfe schon zu Lebzeiten des seit Jahren angeschlagenen Revolutionsführers entbrannt sind: Momentan scheint Sohn Mutasim-Billah vorne zu liegen, er ist für Sicherheits- und Geheimdienstagenden zuständig. Und er wurde von Rice voriges Jahr in den USA schon einmal recht freundlich empfangen. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2008)