Auf die Idee aus Ziegen- und Schafmilch Käse zu machen, kam der Neuwirth, als er sich daran erinnerte, wie gern er bei seiner Großmutter Schafkäse gegessen hatte

Foto: René van Bakel

Gottfried Neuwirth war unzufrieden. In erster Linie mit seinem alten Beruf, Elektrikermeister. "Irgendwann hab ich mir gedacht, ich möchte etwas anderes machen, etwas das mit Ernährung, mit Landwirtschaft zu tun hat", erzählt er. Schließlich kaufte Familie Neuwirth ein Bauernhaus mit einem halben Hektar Grund in Wanzenau, einer kleinen, entlegenen Ortschaft im Waldviertel. Das war vor 20 Jahren, 1988. Seitdem ist Herr Neuwirth Bauer, Bio-Bauer um genau zu sein.

Gemeinsam mit seiner Frau Elfriede renovierte er das stark baufällige Gebäude. Peu à peu wurde die Landwirtschaft aufgebaut - Ziegen, Schafe, Hühner, ein Schwein wurden angeschafft. Pachtflächen angemietet. 1990 bekam der Hof wieder eine landwirtschaftliche Betriebsnummer und war so nun auch offiziell "wiederbelebt". Ziel war es, als Selbstversorger möglichst autark zu sein. "Ich weiß, dass das in der heutigen Zeit ungewöhnlich ist", sagt Neuwirth, "aber es ist genau das, was ich wollte - eine andere Lebensweise als vorher."

Schafkäse bei der Großmutter

Auf die Idee aus Ziegen- und Schafmilch Käse zu machen, kam der Aussteiger (Neuwirth über Neuwirth), als er sich daran erinnerte, wie gern er bei seiner Großmutter Schafkäse gegessen hatte, als er noch ein Kind war. "Für mich als geborener Scheibbser war das nichts Ungewöhnliches", schildert er, "aber hier im Waldviertel hat es das damals noch nicht gegeben." Die Neo-Bauern probierten sich also in der Käseherstellung - mit Erfolg. Und so wurden ein paar Ziegen und Schafe mehr angeschafft, sogar eine Kuh wurde eingestellt.

Seit 1993 wird der Hof im Vollerwerb geführt. Die gesamte bewirtschaftete Fläche beträgt etwas mehr als 14 Hektar. Rund 40 Schafe und Ziegen werden gemolken, hinzu kommt die Nachzucht - das heißt 50 bis 60 Tiere leben am Hof. Als zusätzliches Standbein hat der Hof auch eine Imkerei mit zehn Bienenvölkern.

Frischkäse und Ziegen-Camembert

Frischkäse, ungesalzener Feta, Ziegen-Camembert reifen im natürlichen Felsenkeller des Hauses. Dessen konstante Temperatur trägt zur Qualität der Produkte bei. "Es gibt keine Schwankungen und wenn dann nur sehr langsam", erklärt Neuwirth. Das sei gut für die Mikroorganismen im Käse. Im Winter, wenn ein bisschen mehr Zeit bleibt, experimentieren die Bauersleute an neuen Käsesorten. Herausgekommen ist dabei etwa der "Ziegenbock" - ein Schnittkäse mit scharfer, weil marinierter, Rinde. Oder der "Schaziku". Das hört sich japanisch an. Tatsächlich ist es ein Schnittkäse mit Rotschimmelkultur aus je einem Drittel Schaf-, Ziegen- und Kuhmilch - woraus sich die Bezeichnung ergibt.

"Manchmal räuchern wir auch", sagt Neuwirth, "aber das ist sehr aufwändig." Das Ganze geschieht mit Buchenholz - mehr will er allerdings nicht verraten. "Die Prozedur haben wir selbst erfunden. Denn dafür findet man keine Anleitung in der Literatur." Es sei ein Knochenjob, resümiert er bei dieser Gelegenheit. "Es gehört eine ganzen Menge Idealismus dazu."

"Ziegenmilch stinkt"

Bis heute verkauft der Neuwirth Hof seine Produkte direkt an den Verbraucher aber auch an die Gastronomie, etwa an das Dungl-Hotel in Gars am Kamp, das zu seinen ersten Kunden zählte. "Beim Schafkäse gab's von Anfang an guten Absatz", erinnert sich Neuwirth. Beim Ziegenkäse waren die Einheimischen allerdings zuerst ein bisschen skeptisch. "Damals hieß es noch, dass Ziegenmilch stinkt", sagt er. Die Leute hätten an seinem Marktstandl die Nase gerümpft.

Die Einstellung zu Ziegenmilch und -käse habe sich in den letzten Jahren allerdings grundlegend geändert, etwa durch bessere hygienische Bedingungen bei der Produktion, durch die Zunahme von Kuhmilch-Unverträglichkeit, aber auch die Leistungen von Hermann Ploner, einem weiteren Pionier auf diesem Gebiet, wie Neuwirth schildert. "Ploner hat vor uns angefangen und betreibt heute die Firma Käsemacher in Waidhofen an der Thaya." Mittlerweile liefert das Unternehmen "Käsemacher", das mit 400 Landwirten aus der Region kooperiert, seine Produkte in 38 Länder der Welt. Aus jährlich 30 Millionen Liter Milch erzeugt die Firma unter anderem Schaf-, Ziegen- und Kuhkäse. "Ploner ist sozusagen den umgekehrten Weg gegangen. Wir aber wollen klein bleiben", betont Gottfried Neuwirth. (Markus Böhm/Der Standard/rondo spezial/04/09/2008)