Anfang September geschah etwas, das auch in der Browser-Welt echten Seltenheitscharakter hat: Ohne jegliche Vorankündigung trat ein vollkommen neuer Herausforderer in den Ring und zwar einer, der durchaus Chancen hat, den Browser-Markt gehörig aufzumischen. Denn alleine schon die Erwähnung des Firmennamens reicht aus, sowohl die Internet-Community als auch den Mitbewerb hellhörig werden zu lassen: Google.

Bestätigung

Nach Jahren der immer wieder kehrenden Spekulationen hat sich das Unternehmen schlussendlich als doch dazu entschlossen einen eigenen Browser abzuliefern. Intern bereits seit mehr als zwei Jahren in Entwicklung will man mit Google Chrome die Entwicklung des Webs weiter voran treiben - so zumindest die Aussage des Herstellers.

Vorgeschichte

Andere Browser seien zu Zeiten geschrieben worden, als das WWW noch vollständig andere Anforderungen an den Client gestellt habe, entsprechend habe man sich dazu entschlossen von vorne anzufangen - und so eine optimale Software für die moderne Web-Welt mit anspruchsvollen Online-Anwendungen zu kreieren.

Zusammenarbeit

Ein bisschen Starthilfe hat man sich dann doch von anderen Projekten geholt: ein Stück Firefox hier, ein größere Batzen Webkit / Safari da (dazu später mehr) - in der Open Source Welt alles kein Problem, und genau in dieser bewegt sich auch Google Chrome. Der gesamte Quellcode ist unter einer BSD-Lizenz auf einer eigenen Projektseite veröffentlicht worden, die Software ist natürlich kostenlos erhältlich.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Von der angestrebten Multiplattformunterstützung ist man hingegen noch ein stückweit entfernt. Die erst Beta-Version - die intern die Versionsnummer 0.2.149.27 trägt - gibt es nur für Windows-Rechner. Mac OS X und Linux-Versionen sollen allerdings bald folgen verspricht das Unternehmen. Alleine schon, weil es intern eine Vielzahl von EntwicklerInnen gebe, die diese Systeme verwenden, und entsprechend lautstark eine Portierung verlangen, wie man leicht augenzwinkernd anmerkt.

Launch

Nach dem - äußerst flinken - Start von Google Chrome fällt zunächst mal gleich auf, dass der Hersteller beim User Interface in einigen Punkten neue Design-Entscheidungen getroffen hat. Im konkreten Fall heißt das vor allem: Radikale Reduktion. Möglichst wenig soll der eigentlichen Web-Experience im Weg stehen, insofern wurden einige gewohnte Elemente entfernt.

Bookmarks

Eine Bookmarkleiste gibt es - von Haus aus - ebenso wenig wie eine Statuszeile. Entsprechende Mitteilungen werden einfach als Overlay über die Seite eingeblendet, eine durchaus elegante Lösung. Ein eigenes Suchfenster gibt es ebenfalls nicht, dieses hat man mit der URL-Zeile zusammengefasst.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Diese nennt sich bei Google Chrome "Omnibox" und erinnert in vielen Punkten stark an den "Awesomebar" von Firefox 3: Noch während dem Eintippen werden hier Vorschläge aus History und Bookmarks unterbreitet, wenn auch im Detail leicht anders als bei der Konkurrenz: Unterseiten werden ignoriert, Omnibox bietet nur die übergeordneten Domains an.

Suggest

Google Chrome kennt hier aber noch ein weiteres Feature, das nicht bei allen für uneingeschränkte Begeisterung sorgt: Von Haus aus werden hier nämlich Vorschläge von Google Suggest geliefert. Um dies zu können, werden alle hier eingegebenen Begriffe direkt an Google geschickt, etwas das erneute Ängste vor der Datensammelwut des Unternehmens schürt. Immerhin könnte mit diesen Informationen ein äußerst umfassendes Profil über das eigene Surfverhalten angelegt werden.

Abdrehen

Wem das nicht passt, der kann Google Suggest allerdings auch in den Einstellungen gezielt deaktivieren. Fairerweise sollte auch erwähnt werden, dass Google die NutzerInnen nicht auf die eigene Suchmaschine zwingt, ganz im Gegenteil: "Chrome" importiert beim Start auf Wunsch die Einstellungen von anderen Browsern und übernimmt dabei auch deren Suchmaschinenpräferenz.

Screenshot: Andreas Proschofsky

So wird dann in der Omnibox eben auch die Suchmaschine von Yahoo oder Microsoft angeboten - ganz ohne die Privatsphären durchdringende Vorschlagsfunktion.

Automatisch

In Fragen Suchmaschinen kann die Omnibox allerdings noch einiges mehr, und im Gegensatz zum zuvor Genannten ist dies uneingeschränkt zu begrüssen: Google Chrome lernt nämlich automatisch, an welchen Suchmaschinen die NutzerInnen interessiert sein könnten.

Ablauf

Hat man etwa unlängst nach einem Produkt auf Amazon gesucht, erscheint schon alleine bei der Eingabe des Buchstaben "a" in der Adresszeile das Angebot nach einem Druck auf die Tab-Taste einen Suchbegriff für den Online-Händler einzugeben. Eine äußerst komfortable Lösung, die ohne das manuelle Hinzufügen von externen Suchmaschinen-Providern auskommt und die gewohnte Suchbox schon bald nicht mehr vermissen lässt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Dem Trend von IE8 und Opera folgt Google Chrome an anderer Stelle: Statt einer leeren Seite bietet ein frischer Tab eine Fülle von hilfreichen Funktionen für die BenutzerInnen. So werden hier die insgesamt neun Webpages in einer Miniaturansicht präsentiert. Im Gegensatz zur "Speed Dial"-Funktion von Opera finden sich hier aber keine manuell eingetragenen Webpages sondern die zuletzt am häufigsten besuchten Seiten.

Liste

Außerdem beinhaltet die Startseite die eigenen Lesezeichen sowie eine Liste der zuletzt geschlossenen Tabs. Auch die automatisch erstellten Suchmaschineneinträge laufen uns in Form von Eingabefeldern hier wieder über den Weg.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Zentrales Element eines jeden aktuellen Browsers sind die Tabs, ein Umstand, den Google noch mal extra herausstreicht und diese ans oberste Ende des Interfaces platziert. Die einzelnen Tabs lassen sich wie gewohnt nach Belieben verschieben, auch das Heraustrennen aus einem Fenster - und die Rückkehr in dasselbige - ist kein Problem.

Hübsch

Alles nichts wirklich Neues, aber bei "Chrome" äußerst ansehnlich gelöst. So werden Tabs beim Wegziehen mit einer semitransparenten Miniaturansicht dargestellt, selbst das pure Verschieben der einzelnen Seiten in einem Fenster ist recht "physisch" gelungen.

Manuell

Um neue Tabs anzulegen, gibt es ein kleines Plus-Zeichen rechts neben dem letzten offenen Tab. Über ein Kontextmenü können Seiten dupliziert werden, auch das Schließen aller anderen Webpages auf einen Streich kann hier vollzogen werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ein Feature, ohne das offenbar kaum ein neuer Browser mehr auskommen kann, ist ein eigener "Incognito-Modus": Von der Internet-Community meist etwas aufrichtiger als "Porno-Modus" bezeichnet, dient dieser dazu, keine Spuren über das eigene Surfverhalten am eigenen Rechner zu hinterlassen.

Ausgelagert

Zu diesem Zweck öffnet Google Chrome auf Wunsch ein eigenes Fenster, in dem weder Einträge in die History vorgenommen, noch Cookies oder Formulareingaben abgespeichert werden. Die entsprechenen Fenster sind nicht nur in der Farbe anders als normale Browser-Fenster, auch befindet sich ein kleines Icon im linken oberen Eck, das wohl Anonymität (und nicht wie manche auf den ersten Blick vermuten mögen: Spionage) symbolisieren soll.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eigene Wege geht Google Chrome mit dem integrierten Download-Manager: Ist ein Download fertig wird dies durch ein Overlay symbolisiert, das auf das untere Ende des Fensters hinweist.

Ziehen

Von dort kann die neue Datei dann entweder einfach per Drag & Drop in den gewünschten Ordner gezogen oder auch gleich ausgeführt werden. Auch der Wechsel in eine vollständig Download-History ist an dieser Stelle per Knopfdruck zu erreichen.

Icon

Die Downloads sind dabei an den jeweiligen Tab gebunden, das Vorhandensein einer Datei bei einem Tab wird über ein eigenes Mini-Icon angezeigt. Alles keine sonderlich revolutionären Änderungen, die vielen kleinen Details ergeben in Summe aber eine erfreulich runde Lösung.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Weniger begeisternd hingegen das Bookmark-Management, denn dieses ist derzeit nur in rudimentären Zügen vorhanden. Zwar können Seiten leicht über ein Sternsymbol zu den eigenen Lesezeichen hinzugefügt werden, ein Management-Interface gibt es allerdings nicht, auch Tagging-Funktionen sucht man vergebens.

Offen

Das was im Bookmark-Bereich dann doch vorhanden ist, scheint übrigens direkt vom Firefox übernommen geworden zu sein - Open Source macht es möglich.

Highlighting

Eine vom IE8 abgeschaute Eigenheit ist das Domain-Highlighting: Um Phishing-Attacken zu erschweren, wird die Domain eine Seite klar kenntlich hervorgehoben, eine Täuschung mit gefälschten Adressen wird dadurch einigermaßen erschwert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Noch einmal kurz zurück zum Interface der Anwendung, schließlich fehlt hier jegliche Menüzeile. Statt dessen gibt es neben der URL-Zeile zwei Knöpfe, hinter denen sich weitere Funktionen und Einstellungen verbergen.

Plattform

Darunter auch ein Feature, das klarer macht, welche Zielsetzung das Suchmaschinenunternehmen mit seinem Browser verfolgt: Eine optimale Plattform für Web-Anwendungen zu schaffen. Um dies zu erreichen hat man sich unter anderem auch bei Mozillas Prism-Erweiterung bedient.

Verknüpfung

Über den Menüpunkt "Anwendungverknüpfungen erstellen" lässt sich eine Web-Anwendung aus dem sie umgebenden Browser-Rahmen herauslösen. Zusätzlich können Links am Desktop oder im Menü abgelegt werden, über die direkt der entsprechende Webservice aufgerufen werden kann.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ohne die typischen Browser-Elemente verwischen die Grenzen zwischen Web- und Desktop-Anwendung zusehends. Eine weitere Komponente in diesem Vorhaben ist die fixe Integration der eigenen Browser-Erweiterung "Gears".

Lokal

Über diese können Online-Anwendungen ihre Daten lokal zwischenspeichern und in Folge auch offline betrieben werden. Etwas, das Google selbst bereits bei einer Reihe seiner eigenen Services unterstützt, darunter auch das eigene Schmalspur-Web-Office Google Documents.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine der zentralen Entscheidungen in der Entwicklung von Google Chrome war die Ausrichtung auf ein Multi-Prozess-Design der Software. Ähnlich wie beim Internet-Explorer werden hier alle Tabs in einem eigenen Prozess gestartet. Der zentrale Vorteil: Stürzt ein Tab ab, reißt er - meist - nicht den gesamten Browser mit, statt dessen ist nur die eine Seite nicht mehr zugänglich.

Plugin

Google treibt dies allerdings noch ein Stück weiter, so werden auch die jeweiligen Plug-Ins in einen eigenen Prozess ausgelagert. So zeigte sich im Test der Browser von einem Absturz des Flash-PlugIns vollkommen unbeeindruckt, eine deutliche Verbesserung in Sachen Stabilität.

Speicher

Anzumerken ist allerdings, dass Google Chrome Prozesse der gleichen Domain - also etwa fünf offene Tabs von derStandard.at - alle in einem Prozess zusammenfasst, diese entsprechend auch gemeinsam abstürzen. Dieser Kompromiss hat durchaus seine Gründe. Ein Multi-Prozess-Ansatz hat ein typisches Problem, das andere Hersteller - etwa Mozila - bisher von einer solchen Lösung abgehalten hat: Er verbraucht spürbar mehr Speicher.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Google verspricht dem entgegen aber etwas völlig anderes: Auch wenn die Software anfänglich mehr Speicher brauche, so würde Chrome bei längerer Nutzung sogar weniger Ressourcen als Browser mit herkömmlichen Lösungen verbrauchen. Immerhin sei es bei einem Ein-Prozess-Ansatz schwierig nach dem Schließen eines Tabs den vollständigen Speicher wieder zurück zu bekommen.

Reduktion

Allerdings bewältigt zumindest der Firefox 3 diese Aufgabe mittlerweile so gut, dass sich dessen Speicherverbrauch beim Test deutlich niedriger als der von Google Chrome erweist. Zumindest schlägt sich die Google-Lösung hier noch immer erheblich besser als der auf den selben Ansatz setzende IE8, der beinahe doppelt so viel Speicher frisst wie der aktuelle Firefox.

Tasks

Dafür gibt es dann andere Vorteile, etwa eine gesteigerte Performance, gerade auch auf Mehrkernsystemen. Ein in seinen Auswirkungen nicht zu unterschätzendes Tool ist der in Google Chrome integrierte "Task Manager": Dieser ermöglicht es den Ressourcenverbrauch der einzelnen Tabs und Plugins fein säuberlich getrennt anzuzeigen. Sowohl der benötigte Speicher als auch die CPU-Belastung und die Netzwerkzugriffe werden hier aufgelistet.

Aufteilung

So lässt sich dann eindeutig feststellen, ob Performanceschwierigkeiten wirklich die Schuld des Browsers selbst sind, oder doch ein Plugin das ganze System aufhält. Detailliertere Informationen gibt es dann noch in der about:memory-Ansicht, hier zeigt Google Chrome zum Vergleich sogar den Verbrauch anderer Browser an, so diese gerade im Hintergrund laufen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Einen richtigen Fullscreen-Modus vermisst man bislang bei Google-Chrome, allerdings gibt es etwas Ähnliches, wenn das Fenster maximiert wird: Der Fensterrahmen wird so weit wie möglich minimiert, die Tabs ganz nach oben geschoben.

Vermischtes

Eine weitere nette Kleinigkeit ist die Möglichkeit Textfelder nach Belieben zu vergrößern, etwas das verblüffenderweise noch immer nicht alle Browser von Haus aus unterstützen. Zusätzlich kann Google Chrome mit einem minimalen Session Management aufwarten: Auf Wunsch lassen sich die zuletzt geöffneten Tabs bei einem Neustart automatisch wieder herstellen. Alternativ kann in den Einstellungen eine Liste von Seiten festgelegt werden, die beim Starten automatisch geladen werden sollen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Im Sicherheitsbereich ist man in etwa auf dem Stand des Mitbewerb, so gibt es sowohl Malware- als auch Phishing-Filter. Auch warnt der Browser vor ungültigen SSL-Zertifikaten, geht in der grafischen Repräsentation aber einen etwas anderen Weg als der Firefox: Nach der ursprünglichen Warnung bleibt der Protokollname in der URL-Zeile auffällig durchgestrichen. Umgekehrt wird dieser Teil grün angezeigt, wenn die Domain einen besonders hohen Vertrauenswürdigkeitsstatus hat.

Sandbox

Einen zusätzlichen Vorteile will man aus dem Multiprozess-Design ziehen: Die einzelnen Seiten laufen in einer "Sandbox", sollen so gar keinen Einfluss auf das Hauptprogramm selbst nehmen können. Auf diese Weise will man zahlreiche klassische Angriffsmethoden von vornherein ausschließen.

Probleme

Ein Versprechen, das freilich beindruckender klingen würde, wenn man nicht gleich die erste Version der Software mit einer Sicherheitslücke in der Rendering Engine ausgeliefert hätte, noch dazu mit einer, die seit Monaten bekannt war. Ein denkbar ungünstiger Einstand, der die durchaus interessanten Ansätze etwas in den Hintergrund treten lässt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Auslöser für diesen Fehler ist der Umstand, dass Google Chrome mit einer reichlich veralteten Version der Rendering Engine Webkit ausgeliefert wird. Ein Umstand, der sich auch im ACID3-Webstandard-Test zeigt: Hier erreicht Google Chrome mit 79 Punkten zwar einen recht respektablen Wert, Webkit selbst besteht die Prüfung nun aber schon seit einigen Monaten vollständig.

Wahl

Trotzdem ist Webkit, das einst aus der KDE-Rendering Engine KHTML entstanden ist und mittlerweile auch beim Safari zum Einsatz kommt, ein durchaus gute Wahl. Google streicht vor allem die hohe Geschwindigkeit und den schlanken Code hervor, doch auch die traditionell gute Standard-Kompatibilität ist nicht zu verachten. So besteht man auch den CSS-Selector-Test von CSS3.info vom Start weg vollständig.

Speed

Zusätzlich erweisen sich die Versprechungen des Herstellers in Bezug auf eine hohe Geschwindigkeit als nicht zu hoch gegriffen: Google Chrome ist selbst bei statischem Web-Content äußerst flott, ein Teil dieses Speeds ist hier wohl der durchgängigen Parallelisierung zu verdanken.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Doch während bei statischen Webseiten mit einem halbwegs aktuellen Rechner ohnehin kaum mehr große Unterschiede auszumachen sind, gibt es einen anderen Bereich, der sich auf das moderne Web wesentlich stärker auswirkt: die Javascript-Performance.

V8

Angesichts dessen, dass diese gerade für die Online-Anwendungen von Google selbst einen großen Einfluss hat, hat man sich hier nicht lumpen lassen und mit V8 eine vollständig neue Javascript-Engine entwickelt. Diese soll um ein vielfaches schneller als die Lösungen der Konkurrenz sein, indem der Javascript-Code in Binär-Code umgewandelt wird.

Sunspider

Und auch wenn man das Versprechen einer vielfachen Beschleunigung nicht ganz halten kann, so ist die Performance durchaus beeindruckend. Im Sunspider Javascript-Benchmark setzt man sich an die Spitze aller derzeit veröffentlichten Browser. Lediglich die Nightlies des Firefox 3.1 mit dessen neuer Tracemonkey-Javascript-Engine sind noch eine Spur flotter.

Zimbra

Allerdings sind Benchmarks das eine, reale Anwendungen das andere. Und bei diesen sieht es ebenfalls sehr gut: Nach den Zahlen von Zimbra muss sich Google Chrome im Zusammenspiel mit dem eigenen Web-Client nur ganz knapp den Webkit-Nightlies geschlagen geben. Die Firefox 3.1 Nightlies können da nicht ganz mithalten, die Internet Explorer 8 Beta 2 ist ohnehin weit abgeschlagen

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ein Feld, dem im Zusammenhang mit Google immer starke Bedeutung zukommt, ist das der Privatsphäre - angesichts der vom Konzern gesammelten Informationen ist eine gewisse Skepsis auch durchaus angebracht. In dieser Hinsicht ist bereits einiges über Google Chrome gesagt worden, trotzdem sollen die verfügbaren Information hier noch einmal zusammengetragen und so auch die eine oder andere Falschinformation ausgeräumt werden. Nur kurz erwähnt seien die anfänglichen Probleme rund um die mit der Software ausgelieferte Lizenz, immerhin hat Google hier mittlerweile nachgebessert und den eigenen Fehler eingestanden.

Spionage?

Problematischer da schon die Frage, welche Daten der Browser an Google überträgt. Im Zentrum der Kritik steht vor allem die Omnibox, die alle Tastatureingaben an Google überträgt und so eine lückenlose Überwachung des eigenen Surfverhaltens ermöglichen würde. Ein Datentransfer, der sich aus der Verwendung von Google Suggest ergibt, immerhin muss die Vorschlagfunktion wissen, was eingetippt wird, um sinnvolle Vorschläge abzugeben.

Abstellen

Bei anderen Browsern gibt es zwar ähnliches, dort ist es aber auf die Suchbox beschränkt. Da diese hier mit der URL-Zeile zusammengelegt wurde, entsteht eine brisante Kombination, durch die durchaus auch sicherheitsrelevante Informationen an Google geraten könnten. Zumindest gibt es aber - wie bereits zuvor erwähnt - einen einfachen Ausweg: Die Vorschlagsfunktion lässt sich in den Einstellungen problemlos deaktivieren, auch der Wechsel auf eine andere Standardsuchmaschine bietet Abhilfe.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Kritik gibt es auch immer wieder am Phishing-Filters, da dieser zum Schutz auch einen Abgleich mit den Informationen von Google über gefährliche Seiten benötigt. Entgegen hartnäckigen Gerüchten, hat sich das Unternehmen hier aber wenig vorzuwerfen, die entsprechende Liste wird alle 30 Minuten automatisch heruntergeladen. Ein Live-Abgleich aller Domains erfolgt nicht, die befürchtet Nachverfolgung des Surfverhaltens ist zumindest dadurch also nicht möglich.

ID

Etwas unklar hingegen die Tragweite des Umstands, dass Google jedem Browser bei der Installation eine eigene ID zuordnet, mit der der jeweilige Rechner eindeutig identifiziert werden kann. Auch wenn eine solche Vorgangsweise in der Softwarewelt - leider - nicht unbedingt neu ist, so ist die Verärgerung darüber verständlich, da nützt es wenig, wenn Google versichert, dass die ID ausschließlich für die Update-Funktion verwendet wird.

Anruf

Apropos Update-Funktion: Diese telefoniert regelmäßig "nach Hause", um die die Verfügbarkeit neuer Versionen zu prüfen, etwas das aber auch bei anderen Browsern Gang und Gäbe ist. Ein gewisser Eingriff in den Datenverkehr ist außerdem durch die Umleitung der Fehlermeldungen von nicht vorhandenen Domains auf eine Google-Seite gegeben, eine Funktion, die sich jedoch ebenfalls deaktivieren lässt.

Open Source

So bleibt trotz der recht offenen Dokumentation all dieser Vorgänge doch ein gewisser schaler Nachgeschmack, vor allem in Bezug auf die Default-Aktivierung der Vorschlagfunktion. Immerhin bleibt der Trost, dass Google Chrome Open Source ist. So lässt sich "geheimer" Datentransfer nicht dauerhaft verbergen, auch wäre es möglich Google Chrome-Ableger ohne die problematischen Funktionen zu erstellen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Blenden wir die Privacy-Bedenken einmal großzügig aus - oder deaktivieren die entsprechenden Funktion - und betrachten Google Chrome rein von seiner technischen Seite, so muss dem Hersteller durchaus Respekt gezollt werden. Selbst die jetzige Beta erweist sich bereits als äußerst interessante Alternative zu anderen Browsern, vor allem die Geschwindigkeit und die wohldurchdachte Reduktion des Interfaces wissen zu begeistern.

Wachstum

Punkte, die sicher auch zur - für einen Newcomer - rasanten Verbreitung von Google Chrome beigetragen haben: Laut den Zahlen von Netapplications wurde z.B. die Konkurrenz von Opera bereits innerhalb der ersten 24 Stunden überholt. Ein Bild, das sich auch auf derStandard.at replizieren lässt: Für konkrete Zahlen ist es zwar noch etwas früh, in den ersten Tagen pendelte sich die NutzerInnenschaft von Google Chrome aber so um die 3 Prozent ein.

Nachteile

Wie viele davon dauerhaft bleiben, bleibt freilich abzuwarten, immerhin lässt der Browser derzeit noch einige zentrale Features von anderen Browsern vermissen. Neben den schon erwähnten Defiziten beim Bookmark-Handling fehlen etwa ein RSS-Reader, ein vernünftiger Umgang mit zu vielen Tabs (siehe Bild) oder ein richtiger Full-page Zoom. Selbst E-Mail-Links werden noch nicht unterstützt. Gerade Firefox-Fans werden wohl ein Erweiterungssystem schmerzlich vermissen, etwas das auch Google klar sein dürfte: Bereits bei der Veröffentlichung hat das Unternehmen versprochen künftig hier nachzubessern.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Darüber, dass Google sich als neue Fixgröße am Browsermarkt etablieren kann, besteht wohl relativ wenig Zweifel, dies ist alleine schon dem Bekanntheitsgrad und den Ressourcen des Unternehmens geschuldet. Abzuwarten bleibt auf wessen Kosten das Wachstum von Google Chrome gehen wird, während viele erwarten, dass vor allem der Firefox hier gefährdet ist, zeigen die ersten Tage, dass alle Browser relativ gleichmäßig UserInnen an Chrome abgegeben haben.

Installation

So richtig interessant wird es aber ohnehin erst werden, wenn Google seine Partnerschaften spielen lässt und den eigenen Browser vorinstalliert auf den Rechnern großer Hersteller unterbringen kann. Mit einem solchen Schritt könnte man wohl die Marktanteilsverluste von Microsoft im Browser-Bereich deutlich beschleunigen. Dort arbeitet man zwar mit dem Internet Explorer 8 auch an einer neuen Version seiner Software, aber gerade im Vergleich zu Google Chrome sieht die gerade erst veröffentlichte Beta 2 bereits ziemlich alt und behäbig aus.

Ziele

Mittelfristig ist die Gefahr für Microsoft allerdings noch wesentlich größer als es zunächst scheinen mag: Denn Google zielt mit der Veröffentlichung eines Browsers nicht auf den simplen Gewinn von Marktanteilen ab. Wie man nicht müde zu betonen wird, steht vor allem das Vorantreiben des Webs als moderne Anwendungsplattform im Vordergrund.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Nach den Vorstellungen von Google sollen sich so die Anwendungen immer weiter ins Web verlagern - ein direkter Angriff auf Microsofts Kerngeschäft. Denn je wichtiger der Browser als zentrale Plattform wird, desto unwichtiger wird das darunter liegende Betriebssystem - ob die Online-Programme dann auf Windows, Linux oder Mac OS X laufen, spielt eine zunehmend untergeordnete Rolle.

Partnerschaften

Damit erklärt sich auch die demonstrativ zur Schau getragene Freundschaft mit dem Mozilla-Projekt: Für Google ist Firefox - ebenso wie Webkit - tatsächlich kein Gegner sondern ein Partner, um gemeinsam das Web mit (offenen) Technologien voranzutreiben. Ob Google Chrome dabei nun selbst einen relevanten Anteil vom Markt erobert oder Innovationsgeschwindigkeit und Wachstum des Firefox beschleunigt wird, ist nebensächlich.

Positiv

So ist eines sicher, egal ob man sich nun selbst für Google Chrome entscheidet oder lieber einer anderen Lösung den Vorzug gibt: Die Welt der Browser ist mit dem Einstieg von Google ein ganzes Stück spannender und lebendiger geworden. Vom verstärkten Innovationsdruck sollten schlussendlich vor allem jene profitieren, um die es eigentlich gehen soll: Die BenutzerInnen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 07.09.2008)

Screenshot: Andreas Proschofsky