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Die Voest-Arbeiter warteten nach ihrer Evakuierung stundenlang vor dem Werksgelände

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An die 70 Cobra-Beamte waren am Donnerstag in Traisen im Einsatz, um einen 49-jährigen Arbeitslosen zu überwältigen, der in einer Fabrik Schüsse abgegeben und einen Arbeiter leicht verletzt hatte

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Traisen – "Genau dich suche ich!" soll der 49-Jährige gesagt haben, bevor er am Donnerstagvormittag geschossen hat. Auf einen Arbeiter im Voestalpine-Werk in Traisen (Bez. Lilienfeld), der dabei durch einen Streifschuss am linken Arm leicht verletzt wurde. Nach dem Attentat verschanzte sich der Mann auf dem geräumten Werksgelände und drohte mit Selbstmord. Erst der Zugriff der Sondereinheit Cobra beendete den aufsehenerregenden Fall von "workplace violence" in Niederösterreich. Knapp nach 15 Uhr konnten die knapp 70 Cobra-Beamten ihre Strumpfmasken von den Köpfen ziehen und ihre Uniformen lockern, um die Hitze der Nachmittagssonne zu lindern. Mit einem Trick und der Hilfe der Medien hatten sie den Mann überwältigt, berichtet Walter Weininger, stellvertretender Cobra-Kommandant, im Gespräch mit dem Standard.

Die Einsatzkräfte fuhren mit einem TV-Sendewagen auf das Gelände und erfüllten scheinbar die Forderung des Mannes nach einem Gespräch mit Journalisten. Als der Mann, in der linken Hand sein Handy, in der rechten die Pistole, auf den Wagen zutrat, konnte ihn ein Polizeihund an der Schusshand packen und die Polizisten zugreifen. Der mutmaßliche Täter wurde dabei leicht verletzt.

Anruf in Redaktion

Begonnen hatte der Einsatz bereits am Vormittag. Der Arbeitslose, der vor etwa einem Jahr als Leiharbeiter in dem Betrieb in seinem Heimatort gearbeitet hatte, rief nach seiner Attacke in der Redaktion von Österreich an und wollte seine Motive bekannt geben. Bevor er das tat legte er allerdings wieder auf. Erst bei Gesprächen mit den Beamten erklärte der 49-jährige Vater eines elfjährigen Sohnes und einer vierjährigen Tochter, er wolle gegen die schlechten Arbeitsbedingungen protestieren. Seine Frau bestätigte später, er habe sich schlecht behandelt gefühlt.

Die laut Voestalpine-Konzernsprecher Peter Schiefer 370 Mitarbeiter des Werkes bekamen davon nichts mehr mit, sie wurden rasch in Sicherheit gebracht, blieben aber erschüttert in der Nähe, um das Ende des Vorfalles abzuwarten. Kampfarena Beruf Das Phänomen der "workplace violence", der Gewalt am (ehemaligen) Arbeitsplatz ist auch in Österreich nicht so selten – allerdings kaum mit dem Einsatz von Schusswaffen.

Beruf "gesellschaftlich enorm wichtig"

Der Vorarlberger Gerichtspsychiater Reinhard Haller sieht drei Gründe, warum sich derartige Aggression aufbauen kann. "Erstens ist der Beruf gesellschaftlich enorm wichtig geworden und hat daher zweitens sehr viel mit dem Selbstbild und Selbstwertgefühl zu tun", fasst der Mediziner zusammen. "Drittens ist das berufliche Umfeld zur Kampfarena geworden, in dem Aggressionen abgebaut werde, die früher andere Ventile wie körperliche Arbeit fanden", ist er überzeugt. Viel häufiger als der Amokläufer sei aber der anonyme Täter, der Drohbriefe oder Drohanrufe macht, um den Betrieb zu schädigen. (Michael Möseneder, Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe, 5.9.2008)